Süddeutsche Zeitung

Handel:Der Durchbruch

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Edeka und Rewe einigen sich auf den Kaufpreis für Kaiser's Tengelmann. Die Zerschlagung der Supermarktkette ist damit vom Tisch. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Die beiden größten Händler teilen sich die Beute.

Von Michael Kläsgen, München

Habemus Kaufpreis! Das Konklave in Rom lässt weißen Rauch aufsteigen, wenn ein neuer Papst gewählt ist. Die Geheimverhandler rund um Tengelmann geben Pressemitteilungen heraus oder stechen Informationen durch, wenn es etwas Wichtiges zu verlautbaren gibt. Am Freitag, 13:25 Uhr, poppte die Eilmeldung auf: "Rewe und Edeka einig bei Kaufpreis für Tengelmann". Für diese Nachricht eine Eilmeldung herauszugeben, erschien zwar einigermaßen übertrieben. Aber es zeigt, mit welcher Aufmerksamkeit die hinter verschlossenen Türen geführten Verhandlungen um die noch etwas mehr als 400 Supermärkte von Kaiser's Tengelmann beobachtet werden. Und das schon seit Wochen.

Weißer Rauch ist mit der Einigung auf einen Kaufpreis zwar noch nicht wirklich aufgestiegen. Soll heißen, es ist noch nicht alles unter Dach und Fach. Jetzt müssen die Anwälte der Unternehmen ran und das Verhandelte so zu Papier bringen, dass keiner der übrigen Verfahrensbeteiligten etwas dagegen haben kann. Bis Anfang Dezember wollen Edeka und Rewe einen gemeinsamen Vertrag ausarbeiten. Aber Insider glauben, dass dies nun noch eine Formalie - und der Durchbruch nun endlich geglückt ist.

Bei den Gesprächen soll es auch zuletzt noch hoch hergegangen sein

Andererseits: Bei dem mehr als zwei Jahre währenden Hickhack um Kaiser's Tengelmann verursachte bislang immer noch irgendjemand plötzlich eine Überraschung. Mal war es eines der Unternehmen, mal ein Gericht oder Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Jetzt könnte der ausgehandelte Deal, über den Edeka und Rewe Stillschweigen vereinbart haben, rein theoretisch noch an Gabriel, der Gewerkschaft Verdi oder dem Bundeskartellamt scheitern. Diese Drei müssen dem Vertrag ebenfalls zustimmen, sonst kann er nicht in kraft treten. Zwar waren sie lange in die Verhandlungen zwischen den Unternehmen mit einbezogen. Verdi hatte sie sogar initiiert, um die verbliebenen etwa 15 000 Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann zu retten. In den vergangenen Tagen saßen aber nur noch die Delegationen um Edeka-Chef Markus Mosa und Rewe-Chef Alain Caparros beziehungsweise dessen voraussichtlichen Nachfolger Lionel Souque am Verhandlungstisch. Was sie konkret vereinbarten, wurde am Freitag nicht bekannt. Insofern bleibt ein Rest-Zweifel, schon allein angesichts der vielen Volten in dem Gezerre um die Supermarktkette.

Die Hoffnung ist aber groß, dass nichts mehr dazwischenkommt. Das würde bedeuten, dass die Arbeitsplätze nun vorerst für mindestens fünf Jahre gesichert sind. Und dass es zu keiner Zerschlagung kommt. Die hatte der Eigentümer von Kaiser's Tengelmann, Karl-Erivan Haub, mehrmals angedroht. Für den Großteil der Beschäftigten in Bayern und Berlin hätte das zwar nicht zwangsläufig mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze einhergehen müssen. Die meisten Filialen dort hätten vermutlich einen Käufer gefunden. In Nordrhein-Westfalen aber bestand die Gefahr, dass Tausende ihren Job verlieren. Nach der Einigung können sie nun einigermaßen beruhigt sein. Es wird ausgerechnet Edeka sein, Deutschlands führender Lebensmittelkonzern, der nicht als sonderlich arbeitnehmerfreundlich gilt, der ihre Arbeitsplätze sichert - wenn auch nur für den Zeitraum von fünf Jahren. So ist es in den Tarifverträgen vorgesehen. Hinzu kommen zwei weitere Jahre, in denen Kündigungen kaum möglich sind.

Bereits am Dienstag hatten sich Rewe und Edeka darüber geeinigt, welche Supermärkte Rewe in Berlin erhält. Damit hatten sie den wichtigsten Punkt einer Schlichtungsvereinbarung erfüllt. Die hatte Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) mit den Unternehmen ausgehandelt. Bei den Gesprächen war es zeitweise hoch hergegangen. Caparros soll einige der Anwesenden hinauskomplimentiert haben, mit der Begründung, ihre Anwesenheit sei nicht erforderlich. Nur Interventionen des Altkanzlers sollen den Rewe-Chef gebändigt haben. Am Freitag ließ sich Caparros per Pressemitteilung mit dem Satz zitieren: "Ich bin froh, dass wir jetzt schnell zu einem positiven Ergebnis kommen können." Bislang hatte er den Poker stets hinausgezögert. Positiv ist das Ergebnis tatsächlich vor allem für Rewe. Mit seiner nicht immer konstruktiven Taktik hat der Konzern einige attraktive Supermärkte in Berlin an Land gezogen. Positiv für den Verbraucher ist das aber nicht. Hier teilen sich zwei Große den Kuchen. Wettbewerbsrechtlich kann das nicht gut sein.

Aber im Grunde ist zu Tengelmann alles gesagt. Wie ein Insider unkt: Nur der Papst hat sich noch nicht dazu geäußert.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2016
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