Süddeutsche Zeitung

Grundeinkommen:Wer seinen Job an superschlaue Technik verliert, braucht eine Absicherung

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Wenn Computer und Roboter die Arbeit erledigen, werden viele Arbeitnehmer auf der Strecke bleiben. Deshalb grübeln längst nicht mehr nur Utopisten über ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Es war ein bemerkenswerter Satz, ausgesprochen von einem der wichtigsten Vertreter der deutschen Wirtschaft: "Eine Art Grundeinkommen", meinte Joe Kaeser auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel, werde "völlig unvermeidlich sein". Der Siemens-Vorstandschef spricht sich dafür aus, eine neue Form der sozialen Absicherung zu schaffen, weil in den nächsten Jahrzehnten viele Menschen ihren Job an superschlaue Computer und hochintelligente Roboter verlieren werden.

Die Debatte darüber gibt es schon seit Längerem, aber viele Jahre lang waren es vor allem linke Vordenker, die sich für das "bedingungslose Grundeinkommen" stark gemacht haben: für eine monatliche Leistung also, die der Staat jedem garantiert, unabhängig davon, ob er einen Job hat oder nicht. Doch mittlerweile sind es nicht bloß einige Utopisten, die für diese sehr kühne Idee werben, sondern auch im Silicon Valley erwärmen sich Unternehmer und Ökonomen dafür - und mittlerweile auch in Deutschland. Denn niemand weiß besser, wie viel Arbeitsplätze durch Künstliche Intelligenz und selbstlernende Maschinen gefährdet sind, als jene Menschen, die diese Technologie vorantreiben oder täglich damit zu tun haben.

Die Idee klingt verlockend, im Deatil sind aber viele Probleme zu lösen

Vor knapp einem Jahr wagte sich deshalb schon Timotheus Höttges, der Chef der Telekom, vor und forderte eine Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen: "Es kann eine Grundlage sein, um menschenwürdiges Leben zu führen", sagte er der Zeit. Natürlich weiß Höttges um die Gegenargumente: Allein in Deutschland würden die Kosten sich monatlich auf einen zweistelligen Milliardenbetrag belaufen, wenn man das bedingungslose Grundeinkommen bloß auf 1000 Euro festsetzt - wobei es allerdings zu bedenken gilt, dass im Gegenzug die meisten anderen Sozialleistungen größtenteils wegfallen müssten; und natürlich dürften das Grundeinkommen auch nur diejenigen bekommen, die keinen Job mehr haben; wer selber Geld verdient, bei dem müsste der staatliche Zuschuss je nach Einkommen ganz oder teilweise entfallen. Im Detail gibt es also noch viele Fragen zu lösen - weshalb auch Kaeser eben nur von "einer Art Grundeinkommen" gesprochen hat.

Egal aber, ob die Politik tatsächlich eine neue Form der sozialen Absicherung einführt - oder ob sie nicht (was realistischer ist) das bisherige System so anpasst, dass die Verlierer besser aufgefangen werden: Man wird zugleich auch darüber diskutieren müssen, wie in dieser digitalen und zugleich sozialen Marktwirtschaft die Lasten gerecht verteilt werden. Denn der Staat und die Unternehmen müssen ja zugleich auch massiv in Bildung und Weiterbildung investieren: in Kindergärten, Schulen, Hochschulen, aber auch in Seminare für Mitarbeiter - damit die Menschen gut genug ausgebildet sind für die neue Zeit und die Zahl der Verlierer möglichst gering ausfällt. Klar ist: Weil der Wandel so schnell ist, müssen Mitarbeiter künftig auch mit 40 oder 50 Jahren immer wieder auf die (digitale) Schulbank.

Die Frage nach dem Grundeinkommen ist auch eine nach den Staatsfinanzen

Unmittelbar mit dieser neuen sozialen Frage, die die Digitalisierung aufwirft, hängt also die Frage zusammen, wie der Staat sich künftig finanziert. Reflexhafte Forderungen wie nach der Wiedererhebung einer - am Ende nicht sehr ergiebigen - Vermögensteuer helfen da kaum weiter. Telekom-Höttges plädierte stattdessen dafür, die US-Internetgiganten schärfer zu besteuern, was darauf hinauslaufen würde, die Kapitalbesteuerung insgesamt zu verschärfen - in der Tat ein sinnvoller Schritt. Manche Ökonomen denken zudem über eine Roboter- oder Computersteuer nach.

Kurzfristig würde es allerdings sehr viel mehr bringen, erst mal die jetzigen Steuergesetze durchzusetzen. Und trickreiche Firmenkonstruktionen à la Apple ebenso zu bekämpfen wie die Flucht in Steueroasen - und sei es durch den Aufkauf von Datensätzen. So gesehen liegen Panama und das Silicon Valley gar nicht so weit auseinander, sondern sind eigentlich Nachbarländer.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2016
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