Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Pfund in Schieflage

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Großbritanniens Währung zählt zu den führenden der Welt. Das könnte sich nach dem Brexit ändern.

Von Katharina Müller

Als Donald Tusk im vergangenen Jahr sein Amt als EU-Ratspräsident abgab, tat er dies nicht, ohne noch einmal gegen Premierminister Boris Johnson auszuholen. Seine Prophezeiung war düster: Wenn das Vereinigte Königreich seinen Brexit durchziehe, werde die einstige Weltmacht sich selbst zum Außenseiter, zum "zweitklassigen Spieler" auf der Weltbühne degradieren. Doch alle Warnungen waren vergebens. Ende Januar haben die Briten ihre Trennung von der EU formell vollzogen. Hinter Großbritannien liegen Jahre des Chaos: Die zähen Verhandlungen mit der EU haben nicht nur die Wirtschaft im Königreich, sondern auch das Pfund in Schieflage gebracht - und ausgestanden sind die Querelen noch längst nicht.

Noch ist Großbritannien Teil der Zollunion und des EU-Binnenmarkts. So hatte es Johnsons Vorgängerin Theresa May für die Übergangsphase ausgehandelt. Zum Jahresende läuft diese Phase aus. Einigen sich EU und Großbritannien bis dahin nicht auf ein Abkommen, drohen Handelshemmnisse wie Zölle und unterschiedliche Umwelt- und Sozialstandards. Die Industrie rechnet mit einer Katastrophe.

Doch der Schuh drückt auch an anderer Stelle: Die Covid-19-Krise hat die Wirtschaft Großbritanniens stark getroffen. Die Ökonomen der Bank of England (BoE) erwarten, dass die Pandemie das Land im laufenden Jahr 14 Prozent seiner Wirtschaftsleistung kosten könnte. Die Währungshüter in London stellen sich auf die tiefste Rezession in der 325-jährigen Geschichte der Notenbank ein.

Dementsprechend pessimistisch blicken Experten auf die Zukunft des britischen Pfunds. Analysten der Bank of America vermuten, dass es im Nachgang des Brexits einen Status als Leitwährung verlieren könnte. Dafür spreche die anhaltende Volatilität in der Kursentwicklung. Nachdem das Pfund im März eingebrochen war, erholte es sich zwischenzeitlich wieder etwas und stieg auf über 1,1400 Euro. Seitdem aber bekümmerte der Brexit den Kurs. Zuletzt notierte das Pfund knapp über der Marke von 1,10 Euro.

Traditionell zählt das Pfund neben dem Dollar, dem Euro, dem japanischen Yen und dem Schweizer Franken zu den sichersten Währungen der Welt. Doch die für eine starke Währung ungewöhnlichen Schwankungen stellen diesen Stellenwert laut BofA in Frage: Dass Pfund ähnele zunehmend der Währung eines Schwellenlandes als einer Kernwährung der zehn führenden Industrienationen. Weil sich auch die Schuldensituation des Landes künftig verschlechtere, fällt das Fazit der Experten hart aus: Das Pfund entwickele sich gerade zu einer Währung, die der britischen Wirtschaft ähnele: "klein und schrumpfend." An Tusks Prophezeiung scheint damit zunehmend etwas dran zu sein.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2020
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