Süddeutsche Zeitung

Grenzen des Wachstums:Chinas Wirtschaft kühlt ab

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Probleme, "Made in China": Die Volksrepublik verzeichnet das größte Handelsdefizit seit 20 Jahren, das Wirtschaftswachstum erlahmt stärker, als Experten befürchtet hatten und auch die Konsumfreude der Chinesen ist getrübt. Peking muss Alternativen schaffen, um das Wachstum zu beflügeln.

Marcel Grzanna, Peking

Seit Jahren klagen Europa und die USA über Chinas Handelsüberschuss. Doch kaum wendet sich das Blatt, ist es auch nicht recht. Im Februar verzeichnete die Volksrepublik ein Minus in Höhe von 31,5 Milliarden Dollar; es ist das größte Defizit seit mehr als 20 Jahren.

Die schlechten Zahlen kamen überraschend, sie können nur zum Teil durch Feiertage erklärt werden. Die Fabriken der Volksrepublik waren im Januar dieses Jahres wegen der Festivitäten zum chinesischen Neujahr eine Woche lang geschlossen. Doch auch die Nachfrage nach Gütern "made in China" ließ weltweit spürbar nach.

Das Defizit zeigt, dass sich die chinesischen Wirtschaft schneller abkühlt, als von den meisten Beobachtern und wohl auch von der chinesischen Regierung erwartet. Die Exporte stiegen im Februar zwar im Vorjahresvergleich um 18,4 Prozent auf 114,47 Milliarden US-Dollar, wiesen aber im Vergleich zum Vormonat einen der schwächsten Zuwächse seit vielen Jahren aus. Gleichzeitig wuchsen Chinas Importe im Februar um 39,6 Prozent auf 145,96 Milliarden US-Dollar.

Chinesische Konsumfreude kühlt ab

China will sich zwar unabhängiger von den Ausfuhren machen und den Binnenkonsum stärken. Die Abkehr vom Export benötigt aber Zeit. Signale aus der Autobranche und dem Einzelhandel lassen eine deutliche Abkühlung der chinesischen Konsumfreude in diesem Jahr erwarten. Dementsprechend muss Peking Alternativen schaffen, um das Wachstum zu beflügeln.

"Wir gehen davon aus, dass der Umfang der Investitionen in diesem Jahr in einem moderaten Rahmen zulegen wird", sagt Hu Zhipeng, Analyst bei UBS Securities in Peking. Das bedeutet, dass besonders der Staat für stabiles Wachstum sorgen muss.

Dazu wird Geld benötigt, das zuletzt eher knapp war, weil die Inflation der Regierung Sorgen bereitet und sie deswegen Liquidität vom Markt abgesaugt hatte. Allerdings sank die Teuerungsrate im Februar von 4,5 auf 3,2 Prozent. Das gibt der Zentralbank mehr Spielraum bei ihrer Geldpolitik, obwohl die langsamere Geldentwertung im Februar auch durch das Frühlingsfest bedingt war und nicht nachhaltig ist. Vor dem chinesischen Jahreswechsel steigen die Preise, danach fallen sie wieder. Das verzerrt die Werte. Erst die März-Zahlen werden deutlich zeigen, wohin die Preisentwicklung geht.

Es bleibt die Gefahr einer Immobilienblase

Weitere Kürzungen der Mindestreserve für Banken scheinen aber so oder so nur eine Frage der Zeit zu sein. Derzeit müssen Chinas Kreditinstitute mehr als 20 Prozent ihrer Kundeneinlagen als Sicherheit bei der Zentralbank hinterlegen. Würde dieser Satz gesenkt, könnten die Banken mehr Kredite vergeben.

"Das Kapital wird benötigt, um die Investitionen zu finanzieren. Es bleibt aber immer die Gefahr einer Immobilienblase", sagt der Chefökonom für China der Deutschen Bank, Ma Jun. Priorität bei der Finanzierung dürften deshalb Infrastrukturprojekte erhalten, die im vergangenen Jahr gestoppt wurden, nachdem die Regierung den Geldhahn immer mehr zugedreht hatte.

Chinas Zentralbank-Chef Zhou Xiaochuan machte am Montag entsprechende Andeutungen. Es gebe viel Raum zu weiteren Kürzungen der Mindestreserven, sagte Zhou bei der Jahrespressekonferenz der Zentralbank. Seit Ende November kürzte die Zentralbank bereits zweimal die Mindestreserve. Eine Senkung um 0,5 Prozentpunkt entspricht einer Finanzspritze von etwa 400 Milliarden Yuan, fast 50 Milliarden Euro. Das Geld sei jedoch nicht dafür vorgesehen, die Zuversicht am Aktien- oder Immobilienmarkt zu steigern, stellte Zhou fest.

Chinas ranghöchster Banker warnte davor, das Handelsdefizit aus dem Februar überzubewerten. Das Minus werde nicht von Dauer sein. Am Ende des Jahres will die Volksrepublik wieder ein deutliches Plus im Außenhandel erwirtschaftet haben.

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Quelle:
SZ vom 13.03.2012
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