Süddeutsche Zeitung

Gewinner und Verlierer:Die Zwei vor dem Komma

Lesezeit: 3 min

Erstmals seit 2012 steigen die Preise in Deutschland um mehr als zwei Prozent. Die Zinsen dagegen dürften so schnell nicht erhöht werden. Sparer sind deshalb die großen Verlierer der anziehenden Inflation.

Von Harald Freiberger, München

Die Preise in Deutschland steigen so stark wie seit mehr als vier Jahren nicht. Die Inflationsrate lag laut Statistischem Bundesamt im Februar bei 2,2 Prozent - nach 1,9 Prozent im Januar. Einen so hohen Wert gab es zuletzt im August 2012. Die Zwei vor dem Komma hat auch eine große symbolische Bedeutung, da das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) bei "knapp zwei Prozent" liegt. Damit ist auch diese Marke erstmals seit 2012 überschritten. Deshalb fachen die neuen Zahlen die Diskussion um die Geldpolitik der EZB noch weiter an. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Rückkehr der Inflation.

Was ist besonders teuer geworden?

Hauptgrund für den Anstieg sind die Energiepreise. Im Dezember einigte sich das Ölkartell Opec darauf, die Förderung von Erdöl zu kürzen. Die Preise waren seit 2014 extrem gefallen. Zuletzt zogen sie wieder deutlich an. Da die Inflationsrate aussagt, wie die Preise vom Februar 2016 bis zum Februar 2017 gestiegen sind, macht sich dieser Effekt nun voll bemerkbar. So sind die Energiepreise bundesweit um sieben Prozent gestiegen. Bei einzelnen Produkten, für die bisher nur Zahlen aus den Bundesländern vorliegen, fällt der Anstieg noch viel krasser aus. So verteuerte sich Heizöl in Bayern binnen eines Jahres um 45 Prozent, Kraftstoff um 15 Prozent. Deutlich teurer wurden auch Nahrungsmittel mit einem Plus von 4,4 Prozent im Bundesdurchschnitt. Beim Gemüse waren dafür vor allem Missernten in Südeuropa wegen des schlechten Wetters im Winter verantwortlich; es war im Februar in Bayern um 17 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Auch Milchprodukte zogen im Preis stark an, Butter kostet jetzt 29 Prozent mehr.

Wie haben sich die Löhne entwickelt?

Die Löhne der etwa 17 Millionen tariflich Beschäftigten in Deutschland legten 2016 um 2,0 Prozent zu, gab das Statistikamt ebenfalls am Mittwoch bekannt. Im Vorjahr hatte es noch ein Plus von 2,1 Prozent gegeben, 2014 sogar von 3,2 Prozent. Trotzdem: Unterm Strich hatten die Bundesbürger mehr in der Tasche, da die Inflationsrate 2015 mit durchschnittlich 0,5 Prozent noch vergleichsweise niedrig lag.

Wird die Inflation noch weiter steigen?

Nein, die Experten erwarten, dass die Inflationsrate eher wieder leicht sinkt. Grund dafür ist, dass die Energiepreise im Februar 2016 ihren Tiefpunkt erreicht hatten, danach stiegen sie an. Dieser sogenannte Basiseffekt wird sich in den nächsten Monaten bemerkbar machen: Benzin und Heizöl werden im März und im April gegenüber dem Vorjahresmonat nicht mehr so stark steigen wie im Februar, das führt zu einem Abflachen der Inflationsrate. Die Commerzbank erwartet, dass die Rate bis Ende des Jahres in Deutschland auf etwa 1,5 Prozent sinkt.

Was bedeutet die höhere Inflation für die Sparer?

Ihnen bleibt unterm Strich noch weniger vom Ersparten übrig als bisher schon. Bei den meisten Banken gibt es für Tagesgeld oder kurzfristig angelegtes Festgeld kaum mehr Zinsen. Manche, oft ausländische Banken bieten zwar noch Zinsen von bis zu einem Prozent, doch dies gilt nur für Neukunden und ist auf einige Monate befristet. Wenn die Preise binnen eines Jahres um mehr als zwei Prozent steigen, bedeutet dies, dass Sparer real, nach Abzug der Inflationsrate, Geld verlieren. Dass sich dieser Zustand schnell ändert, ist nicht zu erwarten. Denn die EZB dürfte die Zinsen frühestens 2018 anheben, erwarten die meisten Experten. Erst danach - und obendrein mit Verzögerung - steigen auch die Zinsen, die Banken ihren Kunden für ihre Ersparnisse bieten. Wer sein Geld auf dem Sparbuch liegen lässt oder kurzfristig in Tages- und Festgeld anlegt, gehört damit zu den großen Verlierern einer steigenden Inflation.

Was bedeutet es für Aktien?

Solange die Notenbanken das Geld billig halten, ist das tendenziell positiv für Aktien, da das Geld der Investoren eher in Unternehmenspapiere fließt als in Zinsanlagen. Dieser Effekt zeigt sich derzeit auch an den Börsen: In den USA ist der Dow-Jones-Index auf Rekordhöhe, der Deutsche Aktienindex (Dax) kletterte am Mittwoch über 12 000 Punkte und ist nicht mehr weit von seinem Rekordstand entfernt. Ali Masarwah, Anlageexperte bei der Fonds-Ratingagentur Morningstar, sieht in der anziehenden Inflation einen Anlass für Privatanleger zu prüfen, ob sie nicht ihre Aktienquote erhöhen sollen. "In Deutschland legen Privatinvestoren traditionell vergleichsweise wenig Geld in Aktien an", sagt er. Das sei auf lange Sicht ein Fehler, da diese im Durchschnitt andere Anlagen in der Rendite schlügen. In Zeiten steigender Inflation kommt noch hinzu, dass Aktien einen automatischen Schutz bieten: Wenn die Preise anziehen, können Unternehmen auch die Preise für ihre Produkte erhöhen und damit den Gewinn steigern, was wiederum der Aktie hilft. Manche Experten geben zu bedenken, dass Aktien in den vergangenen Jahren schon stark gestiegen sind und deshalb die Gefahr eines Rückschlags drohe. Masarwah hält dagegen, dass hohe Kurse nicht automatisch zu einem Kurseinbruch führen. Allerdings sollten Anleger ihre Aktienquote immer nur so hoch schrauben, dass sie damit ruhig schlafen können.

Was bedeutet es für Anleihen?

Eine steigende Inflation führt über kurz oder lang auch zu steigenden Renditen bei Anleihen. Doch auch diese Entwicklung vollzieht sich oft mit Verzögerung: Die Zinsen steigen langsamer als die Inflation. Ein Beispiel: Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ist seit Oktober von minus 0,2 zwischendrin auf plus 0,5 Prozent gestiegen, zuletzt aber wieder auf plus 0,25 Prozent gefallen. Mit sicheren Anleihen verlieren Anleger nach Abzug der Inflationsrate also auch Geld.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2017
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