Süddeutsche Zeitung

Georg Funke:Er war das Gesicht der Finanzkrise

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Von Stephan Radomsky

Aufgeben, das kam für Georg Funke nicht infrage - auch nicht, als sein größter Kampf schon seit Jahren verloren war. Wenigstens seinen Ruf wollte der ehemalige Chef der Skandalbank Hypo Real Estate (HRE) wiederherstellen. Er wollte nicht mehr das Gesicht der Finanzkrise in Deutschland sein; nicht mehr der "Bankster", der bis 2008 mit halsbrecherischen Finanzwetten Milliarden Euro versenkt hatte.

"Die HRE ist von außen zerstört worden", sagte Funke während des Strafprozesses gegen ihn im Jahr 2017. Schuld am Beinahekollaps der HRE, so sah er das, waren die anderen, vor allem der damalige Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, und Finanzminister Peer Steinbrück. Daran hielt Funke bis zuletzt fest.

Funke stand zuletzt nur noch selten in der Öffentlichkeit

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Georg Funke im Frühsommer nach kurzer Krankheit im Alter von 63 Jahren gestorben. Das bestätigte sein Strafverteidiger Wolfgang Kreuzer am Dienstag auf Anfrage.

Funke hatte in den vergangenen Jahren extrem zurückgezogen gelebt, bekannt ist lediglich, dass er eine Ehefrau und zwei Kinder hinterlässt. An die Öffentlichkeit war der ehemalige Chef der ehemals drittgrößten Bank in Deutschland nach seinem Rauswurf 2008 nur sehr selten gegangen - bis er dann im Frühjahr 2017 musste.

Da begann, nach fast achteinhalb Jahren Ermittlungen, in München der Strafprozess gegen ihn und den damaligen Finanzvorstand der HRE, Markus Fell. Die Ermittler warfen den beiden vor, die Lage der Bank vor dem Zusammenbruch zu positiv dargestellt zu haben.

Der einstige Hauptvorwurf gegen Funke und die anderen HRE-Manager, sie hätten mit der milliardenschweren Übernahme der irischen Depfa-Bank und mit ihren Geschäften Bankvermögen veruntreut, war da schon längst vom Tisch. Und selbst mit der abgespeckten Anklage scheiterten die Staatsanwälte: Nach sechs Monaten wurde das Verfahren eingestellt, alle Vorwürfe drohten zu verjähren. Funke zahlte lediglich 18 000 Euro Geldauflage, Fell 25 000 Euro. Die Summen orientierten sich "an den derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Angeklagten", hieß es damals vom Gericht.

Hinterher war nichts mehr wie zuvor

Was Funke aber zuletzt tat, wovon er lebte und wo, das verbarg er sorgsam. Er sei, erklärte Funke seine selbst gewählte Abschottung, nach dem HRE-Desaster von Nachbarn und Fremden angegriffen worden, auch körperlich. Also tauchte er ab. Seine Adresse nannte er vor Gericht nicht öffentlich, auch Angaben zu seinem Beruf machte er nicht. Zwischenzeitlich, soweit bekannt, hatte er als Immobilienmakler auf Mallorca gearbeitet. Aber auch das war schon Anfang 2017 nicht mehr aktuell.

Nur so viel lässt sich wohl sagen über das Leben von Georg Funke nach dem großen Knall bei der HRE: Hinterher war nichts mehr wie zuvor. Über Jahre hatte der gebürtige Gelsenkirchener den Immobilienfinanzierer auf- und ausgebaut, der 2003 von der Hypo-Vereinsbank ausgegliedert worden war. Nur zwei Jahre später führte Funke die HRE in den Dax, und nach weiteren zwei Jahren übernahm er die Depfa und machte die HRE damit zum drittgrößten Geldinstitut Deutschlands.

Dabei war er eigentlich gar kein Banker, sondern kam aus dem Immobiliengeschäft. Den Typus des schneidigen Investmentbankers bediente er auch nicht. Das Ruhrgebiet hörte man ihm immer an, auch als er es längst nach Frankfurt, London und New York geschafft hatte - und auch dann noch, als er spektakulär gescheitert war.

Am Ende musste der Steuerzahler den Schaden übernehmen, bis heute stecken fast 17 Milliarden Euro an Staatsmitteln in der HRE und ihren Überresten. Das meiste davon ist wohl für immer verloren.

Trotzdem stritt sich Funke bis zuletzt mit der Rest-HRE über ausstehende Gehälter und Pensionsansprüche aus seinem alten Job als Bankchef: Dreieinhalb Millionen Euro forderte er nach, außerdem verlangte er eine Rente von 47 000 Euro im Monat. Dieses Verfahren läuft in München noch immer, Funkes Familie dürfte es nun wohl weiterführen. Aufgeben, das kommt eben nicht infrage.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018
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