Süddeutsche Zeitung

Geldwäsche:"Es fällt schwer, an Zufälle zu glauben"

Lesezeit: 3 min

Marcus Pleyer, Führungskraft im Bundesfinanzministerium, steht an der Spitze der Financial Action Task Force. Das internationale Gremium prüft, wie gut Deutschland im Kampf gegen Geldwäscher aufgestellt ist. Die Opposition wittert einen Interessenkonflikt.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Marcus Pleyer, 51, kennt die jüngere deutsche Geschichte der Geldwäschebekämpfung. Bereits unter dem früheren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekam er 2011 als dessen Büroleiter hautnah mit, wie holprig die Geldwäscheaufsicht etwa im Immobiliensektor und den Casinos funktionierte. Später war der Jurist als Mitglied des Lenkungsausschusses für den umstrittenen Neuaufbau der zentralen Geldwäschemeldestelle mitverantwortlich. Diese Financial Intelligence Unit (FIU), seit 2017 im Dienst, wirkt angesichts der personellen Unterbesetzung völlig überlastet, zudem fehlen der Behörde wichtige Zugriffsrechte auf Polizeidaten, um die Relevanz der Verdachtsmeldungen seitens der Banken einschätzen zu können. Aufgrund dieses Fiaskos leitete die Staatsanwaltschaft Osnabrück bei der FIU sogar Ermittlungen wegen Strafvereitelung im Amt ein.

Inzwischen ist Pleyer aufgestiegen. Der Ministerialdirigent im Bundesfinanzministerium hat Macht, um die Geldwäschebekämpfung voranzutreiben, und gibt sich ehrgeizig: "Man rettet Leben und macht die Welt besser, wenn man die Finanzkriminalität stoppt", twitterte Pleyer kürzlich von einer Fachkonferenz, wo er in anderer Funktion auftrat: Pleyer steht für die nächsten zwei Jahre an der Spitze der Financial Action Task Force (FATF). Das oberste internationale Anti-Geldwäsche-Gremium, 1989 gegründet, hat mit dem "40 plus neun"-Katalog konkrete Empfehlungen gegeben für den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Eine dieser Empfehlungen sieht vor, dass die nationalen FIUs mit genügend Personal und Kompetenzen ausgestattet werden. Die FATF prüft alle paar Jahre, wie gut die Unterzeichnerstaaten die Vorgaben umsetzen. Aktuell steht die Prüfung von Deutschland auf dem Programm. Die Kontrolleure kommen im März.

In den Statuten ist nicht geregelt, wie Interessenkonflikte gelöst werden sollen

Pleyers Doppelrolle als Präsident der Kontrollinstitution und Mitverantwortlicher der Geldwäschebekämpfung im Bundesfinanzministerium - lauert hier ein Interessenkonflikt? "Die FATF hat da ganz klare Regeln, die Interessenkollisionen ausschließen, und das ist auch genau richtig. Das Land, das geprüft wird, hat kein Stimmrecht in der FATF", sagte Pleyer der SZ. Die Sitzungsleitung zur Prüfung Deutschlands übernehme zudem die Vize-Präsidentin. "Ich bin bei der FATF aus allem, was die Prüfung Deutschlands angeht, raus, nehme das sehr ernst und bin da sehr sensibel."

Experten haben dennoch Vorbehalte. Sie fürchten: Sollte Deutschland bei der FATF-Prüfung schlecht abschneiden, stünde auch Pleyer blamiert da. Würde die Prüfung positiv ausfallen, stünde der Verdacht der Einflussnahme im Raum. "Es fällt mir schwer, an Zufälle zu glauben, wenn ausgerechnet im Jahr der Prüfung ein deutscher Spitzenbeamter Präsident der FATF wird", sagte Lisa Paus, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen. Pleyer sei nicht irgendwer, so die Obfrau im Finanzausschuss. Er habe viele Jahre in wichtiger Position im Finanzministerium an dem jetzigen Anti-Geldwäsche-System mitgearbeitet.

Deutschland ist bei Geldwäschern beliebt

Auch an der Verfasstheit des Gremiums gibt es Kritik. "Ich konnte in den FATF-Statuten keine Regel für Interessenkonflikte finden, zum Beispiel ob oder wann der Präsident die Sitzungsleitung abgeben muss. Eine gut geregelte Governance sieht anders aus", sagt der Jurist Lars Haffke, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität München im Bereich Corporate Governance. "Um dem Anschein von Interessenkonflikten vorzubeugen, hätte Deutschland natürlich auf die Präsidentschaft verzichten können", so Haffke, "aber das wäre eine weitreichende, auch mit politischen Erwägungen verbundene Entscheidung gewesen."

Deutschland gilt seit mehr als 20 Jahren als bevorzugtes Ziel von Geldwäschern. Rund 100 Milliarden Euro Schwarzgeld, so Schätzungen, sollen alljährlich in den Kauf hiesiger Firmen und Güter fließen. Allein im Immobiliensektor schätzt man den Betrag auf 20 Milliarden Euro. Durch die Nachfrage der Kriminellen steigen die Preise und Mieten in den Ballungszentren. Gleichzeitig verstecken sich die neuen Eigentümer hinter Briefkastenfirmen. Man kennt sie nicht, denn das Transparenzregister bietet Schlupflöcher für Kriminelle, die ihre Identität verschleiern möchten. Im Bereich des Nicht-Finanzsektors, also Immobilien, Casinos, Juweliere und Autohändler, sind Behörden der Bundesländer für die Geldwäscheaufsicht zuständig. Sie müssten sicherstellen, dass diese Güterhändler verdächtige Geschäfte melden, etwa wenn ein Kunde einen großen Betrag in bar bezahlt. Doch diese Behörden sind meist unterbesetzt.

Die letzte Prüfung 2010 fiel desaströs aus

Deutschland hat sich lange Zeit kaum um die Geldwäschebekämpfung gekümmert. Folgerichtig war bereits die erste FATF-Prüfung Deutschlands im Jahr 2010 desaströs ausgefallen. Darüber hinaus musste die EU-Kommission immer wieder mittels Vertragsverletzungsverfahren auf Umsetzung der entsprechenden Europa-Richtlinien drängen. Erst nach den islamistischen Terroranschlägen von Paris 2015 und der Enthüllung der Panama Papers 2016 begann die Bundesregierung zumindest verbal, das Thema ernster zu nehmen.

Pleyer gibt sich ambitioniert, er wolle die Finanztransaktionen von Waffenschiebern, Terroristen und der Umweltmafia austrocknen, versprach er. Auf der Homepage der FATF gibt ein aktualisierter und deutlich ausführlicherer Lebenslauf Aufschluss über die vielen Erfahrungen Pleyers. Nur eine Station fehlt nun: Seine Mitarbeit am Aufbau der ins Gerede geratenen FIU. "Der Umstand, dass dies jetzt neuerdings nicht mehr in seinem Lebenslauf auftaucht, ist erklärungsbedürftig", sagt Grünen-Politikerin Paus. Das Bundesfinanzministerium erklärt: "Da der Aufbau der FIU inzwischen länger zurücklag, der entsprechende Lenkungsausschuss, an dem Herr Pleyer teilnahm, kein permanentes Gremium ist, und die FIU nunmehr etabliert ist, wurde der Zusatz aus dem aktualisierten Lebenslauf herausgenommen."

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