Süddeutsche Zeitung

Sicherheitsrisiko:250 Funklöcher verhindern Notrufe auf deutschen Bahnstrecken

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Von Markus Balser, Berlin

Die Sicherheitsmängel durch ein lückenhaftes Zugfunk- und Notrufsystem für den Schienenverkehr in Deutschland sind offenbar größer als bekannt. "Die Verfügbarkeit des Zugfunknetzes ist nach Auskunft der DB Netz AG auf etwa 250 Abschnitten eingeschränkt", heißt es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in einer aktuellen Antwort des Bundesverkehrsministeriums an den Bundestag. "Störungen können z. B. durch Frequenzüberlagerung der örtlichen öffentlichen Mobilfunksender verursacht werden."

Die Angaben sind brisant: Funklöcher gelten als Risiken für Reisende, da Lokführer in diesen Bereichen nur schwer von den Leitstellen über den verwendeten Notrufstandard GSM-R erreichbar sind und gewarnt werden können. Das ist im Ernstfall nötig, wenn etwa das reguläre Sicherungssystem der Bahn, also die Signaltechnik, ausfällt und Unfälle verhindert werden müssen. Der Bahn zufolge liegt die Größenordnung der Funklöcher bei "wenigen" 100 Metern. Nach SZ-Informationen sind einzelne dieser Problemzonen jedoch mehrere Kilometer lang. Der betroffene Funkstandard ist auf 29 000 von 33 000 Kilometern des Bahn-Streckennetzes installiert. "Auf noch nicht ausgerüsteten Strecken ist die Erreichbarkeit der Züge über analogen Zugfunk, bzw. das kommerzielle GSM Netz gewährleistet", heißt es weiter. Das GSM-R-Netz gilt eigentlich als besonders sicher.

Selbst größere Bahnhöfe sind betroffen

Dem Staatskonzern sind die Probleme offenbar seit längerem bekannt. "Die DB hat diesbezüglich ein detailliertes Rückfallkonzept erarbeitet", schreibt das Ministerium. "Für den Fall von Störstellen hat die DB klare Regeln für betriebliche und technische Maßnahmen aufgestellt, um einen sicheren und zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten: Dazu gehören zum Beispiel die Nutzung des öffentlichen Mobilfunks, die Reduzierung von Höchstgeschwindigkeiten oder technische Lösungen.

Selbst einzelne größere Bahnhöfe sollen von den Funklöchern betroffen sein. Dem Ministerium zufolge soll es bislang wegen der Probleme zu keinem Unfall gekommen sein. "Ein Zusammenhang zwischen Unfällen und einer fehlenden Zugfunkausleuchtung entlang einer Strecke ist dem Eisenbahnbahnbundesamt bislang nicht bekannt." Auch lieferten die Untersuchungen von Unfällen seitens der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (EUB) keine entsprechenden Hinweise. Das gilt offenbar auch für den schweren Zugunfall von Bad Aibling im Februar. Zuletzt war der Verdacht aufgekommen, Funklöcher hätten zu dem Unglück beigetragen. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Traunstein prüft, ob es Probleme bei der Abwicklung des Notrufs gegeben hat. Das Bundesverkehrsministerium schließt dies als Ursache offenbar aus. "Nach dem Unfall vom 9. Februar 2016 wurde eine Messung zur Funkausleuchtung durchgeführt. Dabei wurden keine Funklücken festgestellt", heißt es.

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Quelle:
SZ vom 08.04.2016
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