Süddeutsche Zeitung

Freiwillige Selbstverpflichtung:Dobrindts frommer Wunsch

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Die Industrie lässt sich nicht gerne auf freiwillige Lösungen ein. Die Forderung an die Autokonzerne ist wohlfeil.

Von Karl-Heinz Büschemann, München

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Autobranche zur Besserung aufgefordert: Angesichts des Vertrauensschadens nach dem VW-Skandal fordert er die Autohersteller zu eigenständigen Zusagen für realistischere Abgaswerte auf: "Ich erwarte ein deutlich offensiveres Vorgehen der Autoindustrie", sagte der CSU-Politiker. "Solange die gesetzlichen Neuregelungen auf europäischer Ebene noch nicht umgesetzt sind, sollten die Automobilkonzerne eine freiwillige Selbstverpflichtung eingehen und die noch zulässigen Spielräume bei den Messprozeduren nicht ausschöpfen."

Da wird der Minister möglicherweise lange warten müssen. Die Vergangenheit zeigt, wie schwierig es ist, nicht bindende Vereinbarungen mit der Industrie zu erreichen. "Freiwillige Beschränkungen sind allenfalls ein frommer Wunsch", sagt der Münchner Professor für Betriebswirtschaftslehre, Manuel Theisen. "In der Regel funktionieren sie nicht, am Ende muss der Staat mit Gesetzen eingreifen."

Die Liste der Beispiele ist lang. Vor allem ist zunächst die Bereitschaft vonnöten, sich überhaupt zu einer Konzession an die Regierung bereitzufinden. Noch ist nicht vergessen, wie sich die Autoindustrie in den Achtzigerjahren der Einführung des Abgas-Katalysators für Benzinmotoren entgegenstellte.

Damals ging das Wort vom Waldsterben um. Katalysatoren, die nach dem Willen der Bundesregierung die Emissionen von Ottomotoren reinigen sollten, galten als entscheidendes Gegenmittel im Umweltschutz. Die Industrie aber war dagegen. Die Kosten wären zu hoch, die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, behaupteten die Konzerne. Es dauerte gute fünf Jahre, bis 1989 der Katalysator per Gesetz EU-weit zur Pflicht wurde. Der Widerstand der Autobranche gegen den Katalysator bleibt bis heute eine der größten Niederlagen der Autolobby. Die Folge war ein Imageschaden, weil sich die Autoindustrie gegen den Umweltschutz gestellt hatte. Die Einführung des "Kats" hat der Branche kein bisschen geschadet. Ähnlich war es bei der Einführung des Partikelfilters für Dieselabgase vor etwa zehn Jahren. Erst galt die Technik der Autoindustrie als zu teuer, später wurde sie zum Standard.

Auch der deutsche Corporate Governance Kodex, der seit dem Beginn dieses Jahrhunderts Regeln für gute Unternehmensführung aufstellt, kämpft mit der Schwierigkeit, Unternehmen zu freiwilligen Abmachungen zu bewegen. Ihre Regeln haben den Charakter von Empfehlungen. Vorschriften sind sie nicht. Als die Regierungskommission bei einer ihrer frühen Entscheidungen den Unternehmen empfahl, die Höhe der Gehälter ihrer Vorstände im Geschäftsbericht zu veröffentlichen, blieb dies fast folgenlos. Nur wenige Konzerne kamen der Empfehlung nach.

Da das Thema eine so breite öffentliche Debatte ausgelöst hatte, war die baldige Folge, dass der Gesetzgeber eingriff. Seit 2005 schreibt das Aktiengesetz vor, dass börsennotierte Gesellschaften ihre Vorstandsbezüge veröffentlichen müssen.

Was führenden Managern nicht gefällt, wird selten freiwillig eingeführt. Es war lange üblich für deutsche Vorstandschefs, nach Ende ihrer aktiven Zeit in den Aufsichtsrat zu wechseln. Nahtlos. Diese Praxis gilt als schlecht für die Führungskultur eines Unternehmens. Es sei nicht gut, wenn ein lang gedienter Manager seinen Nachfolger vom Aufsichtsrat aus daran hindern könnte, die eigenen Fehler zu korrigieren. Die Regierungskommission schlug eine Zwangspause von zwei Jahren vor. Auch diese Regel wurde so lange von den Firmen ignoriert, bis sie im Gesetz stand.

Auch die Einführung einer Frauenquote für Führungspositionen in Aktiengesellschaften ist inzwischen gesetzlich geregelt. Die Kann-Regeln des Governance Kodex wurden von den Unternehmen zu lange übersehen, bis die Regierung handelte.

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SZ vom 28.12.2016
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