Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Macron, der Firmenlenker

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Der neue Präsident startet eine Welle von Privatisierungen, den Erlös von zehn Milliarden Euro will er in einen Fonds für innovative Unternehmen stecken - und so die Tradition des Staatskapitalismus verlängern.

Von Leo Klimm, Paris

Es sei nur "die erste Etappe" in der Umsetzung eines größeren Plans, verkündet Bruno Le Maire. Frankreichs Wirtschaftsminister hat über die Börse einen Anteil von 4,5 Prozent am Energieversorger Engie verkauft - und so 1,5 Milliarden Euro für die Staatskasse eingenommen. In den nächsten Wochen sollen nun weitere Beteiligungen abgestoßen werden, die Frankreich an Unternehmen hält. Zehn Milliarden Euro will Le Maire auf diese Weise in Summe erlösen, das ist das Ziel.

Was zunächst wie eine große Privatisierungswelle unter der neuen Regierung in Paris wirkt, ist tatsächlich keine Abkehr von der französischen Tradition des Staatskapitalismus. Eher ist es der Versuch von Präsident Emmanuel Macron und seines Ministers Le Maire, diese Tradition in die Zukunft zu übersetzen. Denn die zehn Milliarden Euro sollen in einen noch zu schaffenden Staatsfonds fließen, der wiederum in innovative französische Technologiefirmen investiert. Macron und Le Maire schrecken aber auch nicht vor Interventionismus alter Schule zurück, wenn sie französische Interessen gefährdet sehen: Im Juli verstaatlichten sie gar die Großwerft STX, um eine Übernahme durch italienische Käufer zu vereiteln.

Der Staat besitzt Anteile an 81 Unternehmen, von denen 70 an der Börse notiert sind

Die Konturen des neuen Innovationsfonds, den Macron vor der Wahl zum Staatschef versprochen hat, sind noch schwammig. Dennoch beteuert sein Wirtschafts- und Finanzminister, die erwarteten Verkaufserlöse würden auch wirklich zur Förderung aufstrebender Technologiefirmen eingesetzt. Und nicht etwa zur Haushaltskonsolidierung. Die Umschichtung der Firmenbeteiligungen, so Le Maire, zeige "dem französischen Steuerzahler, dass sein Geld in die Zukunft angelegt ist und nicht in die Vergangenheit". Öffentliche Mittel sollten nicht "eingeschlossen bleiben in bestimmten Unternehmen, die für den Staat nicht strategisch sind".

Altmodisches Tafelsilber ist also angeblich nicht mehr gefragt, sondern High-Tech. Dem Willen der sozialliberalen Regierung zufolge soll Frankreichs Portefeuille daher fortan "aktiv" und "dynamisch" gemanagt werden. Es umfasst zurzeit Anteile an 81 Unternehmen, von denen 70 an der Börse notiert sind. Insgesamt sind die Beteiligungen etwa 100 Milliarden Euro wert. Die nun gestartete Verkaufsrunde betrifft also nur ein Zehntel dieses Vermögens.

In der Praxis dürfte die Agentur für Staatsbeteiligungen bei ihren Veräußerungen oft vorgehen wie diese Woche bei Engie: Ungeachtet Le Maires radikal klingender Ankündigung verkaufte sie lediglich einen kleinen Teil ihrer Aktien. Damit setzt der Staat Kapital frei, ohne unbedingt Einfluss auf das betreffende Unternehmen zu verlieren. Bei Engie - einem der größten Gasversorger der Welt, früher unter dem Namen GDF-Suez bekannt - bleibt Frankreich mit 24 Prozent der Anteile und einem Drittel der Stimmrechte Hauptaktionär.

Welche Unternehmen als nächstes auf der Verkaufsliste stehen, gibt die Beteiligungsagentur zwar nicht bekannt, weil das börsenrechtliche Vorschriften verletzen könnte. Allerdings ist es in französischen Regierungskreisen ein offenes Geheimnis, dass ADP, der Betreiber der Pariser Flughäfen, weit oben auf der Liste steht. An ADP hält der Staat die Hälfte der Aktien. Allein hier könnte er bis zu 7,5 Milliarden Euro einnehmen. Der Baukonzern Vinci hat auch schon Interesse bekundet; dass es sich dabei um einen französischen Investor mit engen Geschäftsverbindungen zum Staat handelt, dürfte von Vorteil sein. In den vergangenen Jahren hat Frankreich schon die Flughäfen von Lyon, Nizza und Toulouse veräußert.

Auch Frankreichs Anteil am Opel-Mutterkonzern PSA könnte verkauft werden

Für einen Teilverkauf gehandelt werden in Paris der Glücksspiel-Anbieter La Française des Jeux, der Telekomkonzern Orange und die Fluggesellschaft Air France, an denen Frankreich jeweils große Aktienpakete hält. Und nicht zuletzt werden die bevorstehenden Beteiligungsverkäufe auch der Autoindustrie des Landes Aufschluss darüber geben, ob sie - nach Le Maires Definition - eine Zukunftsbranche ist oder vermeintlich der Vergangenheit angehört. Oder, dritte Möglichkeit, ob sie schlicht eine gute Geldanlage ist: Schon in seiner eigenen Zeit als Wirtschaftsminister wollte Macron die Anteile an PSA losschlagen, die der Staat 2014 gezeichnet hatte, um den Mutterkonzern von Peugeot vor der Pleite zu bewahren. Auch heute wäre der Verkauf der 13 Prozent an PSA ein gutes Geschäft für den Steuerzahler; es käme zudem einer Re-Privatisierung des Konzerns gleich, zu dem seit Kurzem auch Opel gehört. Beim PSA-Rivalen Renault dagegen ist ein Rückzug des Staates eine heiklere Angelegenheit, und das nicht nur, weil der Staat hier seit der Nachkriegszeit Ankeraktionär ist. In einem spektakulären Machtkampf mit dem Renault-Chef hatte der damalige Minister Macron 2015 den Staatsanteil sogar aufgestockt. Vom schnellen Weiterverkauf der neu erworbenen Papiere, den er damals versprach, ist schon länger keine Rede mehr. Zumal der Renault-Chef immer noch derselbe ist.

Während ein Teilausstieg bei Renault zumindest nicht ausgeschlossen ist, gelten andere Staatsbeteiligungen als unverkäuflich. Dazu gehören die Anteile an den Rüstungskonzernen Airbus und Safran. Die werden als strategisch eingestuft. Andere Aktien wiederum sind deshalb unverkäuflich, weil sie derzeit schlicht keine Abnehmer fänden. Darüber macht man sich im Pariser Wirtschaftsministerium keine Illusionen. Unglücklicherweise fallen in diese Kategorie ausgerechnet zwei jener Unternehmen, an denen Frankreich die höchsten Beteiligungen hält: die Atomstromkonzerne EDF und Areva. Beide Unternehmen musste der Staat zuletzt mit vielen Milliarden Euro stützen.

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SZ vom 07.09.2017
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