Süddeutsche Zeitung

First Lady:"Steigen Sie in den Ring"

Lesezeit: 3 min

Macht gibt niemand gern ab - sie muss erkämpft werden. First Lady Elke Büdenbender ruft die Frauen auf, selbstbewusst für Parität in der Gesellschaft zu streiten.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die First Lady outet sich gleich am Anfang: "Ich stehe hier als überzeugte Feministin, als Frau, der die Sache der Frauen ein ganz besonderes Anliegen ist und immer schon war." Elke Büdenbender sagt den Satz, als gebe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt als gleichzeitig Ehefrau, Feministin, Juristin, Richterin, First Lady und natürlich Mutter in einem Leben zu sein. Und schon liegt ihr der Saal zu Füßen.

Es ist Donnerstagmorgen und sommerlich heiß in Berlin. Elke Büdenbender, 57, dezent in weißer Bluse mit Perlenkette, schmaler Hose und schwarzen High Heels, steht auf der Bühne in der Factory im Görlitzer Park. Sie wird auf dem Plan W-Kongress über Frauen und Wirtschaft reden. Was eigentlich ein Widerspruch ist in ihrer gelebten Realität. Die Juristin lässt ja, wie sie selbst sagt, "aus übergeordneten Gründen" ihr Richteramt für fünf Jahre ruhen, um als Ehefrau ihren Mann, den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, zu begleiten. Kann sie glaubwürdig ein Plädoyer für mächtige Frauen halten - und selbst dem Ehemann folgen? So viel vorab: Ja, die Frau, für die Liebe ein übergeordneter Grund ist, kann es.

Wie das geht? Erst einmal mit ein paar Grundlagen. Büdenbender nimmt sich Zeit - und die Zuhörerinnen ernst. Sie kommt pünktlich, anders als einige Rednerinnen am Vortag. Sie hat ihr Manuskript vor Augen und schiebt doch immer wieder ein Adjektiv ein, ergänzt gelegentlich ein persönliches Erlebnis. Das Gefühl macht sich breit, dass sich da jemand so richtig in die Lebenswelten ihrer Zuhörerinnen hineinbegibt.

Vielleicht ist dieses bedingungslose Hinübergleiten sogar der entscheidende Vorteil, den die First Lady hat im Vergleich zu Politikerinnen oder Ministerinnen. Ohne Rücksicht zu nehmen, kann sie deutliche Worte wählen, Forderungen aufstellen. Für sie sei klar, sagt Büdenbender, dass sich in Deutschland etwas ändern muss. "Wir haben noch keine echte Parität erreicht. De jure stehen Frauen gleichauf mit Männern, de facto tun sie es oft nach wie vor nicht". In allen Bereichen säßen Männer wesentlich häufiger im Chefsessel, würden Frauen bei gleicher Eignung und Qualifikation schlechter bezahlt; Karriereknick, Kinder, soziale Klippen. Man fühlt sich in einen Gerichtssaal versetzt, wo eine Richterin das abschließende Plädoyer hält: "Wir müssen die Parität zu einem wichtigen politischen und gesellschaftlichen Ziel erklären", fällt sie das Urteil. Und: "Der Gesetzgeber ist in der Verantwortung".

Was sie antreibt, sagt Büdenbender, ist das Wissen, dass sie keine Zeit zu verschwenden hat, das Leben nutzen will. Man weiß, dass ihr Ehemann ihr das Leben mit einer Nierenspende gerettet hat. Und trotzdem macht sie in keiner Sekunde den Eindruck, dass sie jetzt aus purer Dankbarkeit mit ihm reist. Sondern, dass es ihr ein Anliegen ist, als First Lady mitzumischen. "Mein Mann hat das Amt, ich habe eine Funktion", sagt sie. "Die fülle ich aus, und es macht mir Freude". Das mit der Freude hat sich geändert im Vergleich zu 2009, als ihr Gatte Kanzlerkandidat der SPD war. Damals folgte sie ihm zurückhaltend in den Wahlkampf. Berühmt wurde sie bei einem Auftritt auf dem Berliner Parteitag, als sie auf dem Weg zu ihrem Mann auf der Bühne einen roten High Heel verlor - und auf Strümpfen weiterging.

Darüber verliert sie allerdings kein Wort. Sie sagt nur, dass sie früher nach einer Verhandlung das Urteil geschrieben habe. Heute lasse sie sich als First Lady in die Lebenswelten vieler Bürger reinziehen. Was ihr persönlich das größte Anliegen ist? "Wie wir es schaffen können, allen Kindern zu ermöglichen, ihr Leben zu gestalten".

Die Antwort darauf kann die First Lady als Kurzversion liefern: Bildung, Selbstbewusstsein, Parität. Oder in einer langen: "Bildung, sei es eine Ausbildung oder ein Studium, ist der Schlüssel zu einem guten und vor allem selbstbestimmten Leben. Bildung schafft Wissen, und Wissen macht selbstbewusst. Und wer selbstbewusst ist, traut sich, auf die eigenen Talente und Stärken zu schauen und den eigenen Weg im Leben einzuschlagen".

Und die Anleitung zum Erfolgreichsein, die liefert die Mutter einer erwachsenen Tochter gleich mit. Also, erstens, für Frauen in Deutschland sei "alles möglich". Sie sollten sich viel und auch mehr zutrauen. Und zwar so: "Seien Sie neugierig und vielleicht auch mal penetrant, nicht jeder muss sie mögen." - "Werfen Sie Ihr Herz über die Hürde, wenn Sie Zweifel haben." - "Steigen Sie in den Ring und fechten Sie auch Machtkämpfe aus." - "Es geht um nichts anderes als die Macht, und Macht gibt keiner gerne ab, auch Männer nicht."

Übrigens, auch auf Ostdeutschland kommt die First Lady zu sprechen. Dass Frauen an der Spitze von Regierungen, Unternehmen, Universitäten, Gerichten und Redaktionen stünden, dazu hätten "in besonderem Maße auch die Frauen in und aus Ostdeutschland beigetragen". Angela Merkel fällt einem dazu ein, Marianne Birthler, Christine Bergmann, Regine Hildebrandt und Manuela Schwesig.

Im Osten, sagt Büdenbender, habe es nicht die Klischees im Kopf bei der Wahl des Berufes gegeben. Mädchen seien Mechatroniker geworden, weil sie damit gut Geld verdienen konnten. Bildungsgerechtigkeit, sagt sie, habe man in Deutschland erst dann erreicht, "wenn wir alle Berufe schätzen". Wenn also die Tochter einer Ärztin Handwerkerin werden könne und der Sohn eines Handwerkers Arzt. "Wir müssen uns in allen gesellschaftlichen Milieus bewegen", sagt sie.

Dem Beifall nach zu urteilen waren viele mit diesem Befund einverstanden.

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SZ vom 07.06.2019
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