Süddeutsche Zeitung

Finanzprodukte:Risiko für Geldanleger

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Wertpapierprospekte müssen nicht in deutscher Sprache verfasst sein. Das geplante neue Finanzmarktgesetz gibt den Anbietern von Finanzprodukten aber auch sonst viel Spielraum. Das sorgt für Streit im Bundestag.

Von Markus Zydra, Frankfurt

An den öffentlichen Verkauf von Wertpapieren ist eine gesetzliche Pflicht gekoppelt: Die Herausgeber der Finanzprodukte müssen die Anleger in einem Prospekt über die Chancen und Risiken der Investition informieren. Diese Wertpapierprospekte sind selten leicht verständlich und können mitunter Hunderte Seiten umfassen. Dennoch gilt dieses Dossier als wichtiger Baustein für den Anlegerschutz, zumal der Wertpapierprospekt auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen Handhabe bietet. Vor einem deutschen Gericht sollte der Prospekt dann in deutscher Sprache vorliegen. Logisch. Weniger logisch ist der Umstand, dass der deutsche Gesetzgeber den Emittenten die Freiheit gibt, den Prospekt in einer internationalen Finanzsprache zu verfassen.

Bei 220 Seiten kostet die Übersetzung ungefähr 15000 Euro

"Diese Sprachregelung ist schärfstens zu kritisieren", sagt der Münchner Fachanwalt Peter Mattil. Er verweist auf Klienten, denen ein Prospekt in französischer Sprache gegeben wurde, obwohl das Finanzprodukt in Deutschland verkauft wurde. "Im Falle eines Rechtsstreits muss der Kläger den Prospekt auf seine Kosten übersetzen lassen. Bei einem 220 Seiten starken Schriftstück können sich die Kosten laut einem Übersetzungsbüro auf rund 15 000 Euro belaufen", sagt Mattil, der seine Kritik jüngst im Finanzausschuss des Bundestages vorgetragen hat. Das Gremium beriet in dieser Sitzung das Gesetz zur Ausführung der EU-Prospektverordnung. Die EU hat darin für alle Mitgliedstaaten einheitliche Regeln erlassen. Die Verpflichtung für Emittenten, den gesamten Prospekt in jedem Vertriebsland in der jeweiligen Landessprache zu veröffentlichen, fehlt dort.

Die Bundesregierung hält eine kurze Zusammenfassung des Prospekts in deutscher Sprache für ausreichend. "Vor Gericht wird geprüft, ob der ganze Prospekt fehlerhaft oder unvollständig ist, und nicht nur dessen kurze Zusammenfassung", sagt Rechtsanwalt Mattil. Der Emittent solle deshalb gesetzlich dazu verpflicht werden, den ganzen Prospekt auf Verlangen eines oder mehrerer Anleger in die Muttersprache übersetzen zu lassen.

Das Bundesfinanzministerium teilt mit, die Investoren würden in der Prospektzusammenfassung gewarnt, dass sie als Kläger die Kosten für die Übersetzung zu tragen haben könnten. "Mit der EU-Prospektverordnung wird Englisch als gültige internationale Finanzsprache für Prospekte ab acht Millionen Euro anerkannt, sofern das Prospekt eine deutsche Zusammenfassung enthält", sagt der Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi (Die Linke). Durch die Notwendigkeit, im Streitfall den ganzen Prospekt teuer übersetzen zu lassen, schrecke man Anleger ab, ihre Schadenersatzansprüche durchzusetzen.

Auch die Prospektregeln für den Vertrieb von Zertifikaten und Optionsscheinen stehen in der Kritik. Diese "Nichtdividendenwerte" sollen auch künftig ohne Prospekt verkauft werden dürfen, wenn das Emissionsvolumen 75 Millionen Euro pro Jahr nicht übersteigt. "Diese zumeist hochriskanten Produkte sollten grundsätzlich nicht an Verbraucher vertrieben werden dürfen", fordert De Masi. Das dies geschehe, sei "besonders im Hinblick auf das Risiko für die Verbraucher sehr bedenklich". Laut Bundesfinanzministerium sind nicht alle dieser Wertpapiere von der Prospektpflicht befreit, nur "einfache Schuldverschreibungen".

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Quelle:
SZ vom 25.04.2019
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