Süddeutsche Zeitung

Finanzpolitik:"Nicht optimal"

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht Nachteile für Deutschland durch die Europäische Zentralbank.

Von Cerstin Gammelin und Markus Zydra, Berlin/Frankfurt

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat am Montag Änderungen der Stimmrechtsverhältnisse in der Europäischen Zentralbank nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der CDU-Politiker sagte auf einer Veranstaltung in Berlin, die europäische Notenbank müsse die Interessen der 19 Euro-Staaten ausgleichen und deshalb eine Geldpolitik betreiben, "die für Deutschland nicht optimal ist". Daraus sei die Debatte entstanden, dass womöglich die Stimmrechte im EZB-Rat geändert werden müssten. Schäuble wies diese Forderung zurück, ließ sich jedoch ein Hintertürchen offen. "Das ist ein bisschen die falsche Richtung, solange es unabhängige Institutionen gibt", sagte er.

Im EZB-Rat sitzen 19 Notenbank-Chefs aus den Euro-Mitgliedsstaaten und die sechs Direktoren der EZB, inklusive EZB-Präsident Mario Draghi. Alle Mitglieder im Gremium haben je eine Stimme. So kommt es, dass etwa der Notenbankpräsident von Malta formal dasselbe Stimmengeweicht hat wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Dieser Umstand sorgte in den vergangenen Jahren gerade vor besonders weitreichenden und riskanten Entscheidungen der EZB für politischen Unmut in Deutschland, auch weil die Bundesbank und damit der deutsche Steuerzahler für etwaige Verluste der EZB mit rund 27 Prozent haften würde.

Die Frage, ob die EZB angesichts des immensen Drucks, immer wieder über geldpolitische Entscheidungen die Euro-Zone stabilisieren zu müssen, überhaupt noch unabhängig agieren kann, ließ Schäuble offen. Mit ihrer Nullzinspolitik und einem Anleihekaufprogramm in Höhe von 1,5 Billionen Euro möchte die EZB das Wachstum und die Inflation in der Euro-Zone ankurbeln. Schäuble hatte die Notenbank vor einiger Zeit dafür verantwortlich gemacht, über ihre Niedrigzinspolitik der AfD die Wähler in die Arme zu treiben. Später relativierte er diese Aussage. In Berlin wies er am Montag darauf hin, dass es in den Demokratien Europas dazugehöre, öffentlich über die europäischen Institutionen zu debattieren. Auch der Auftrag, den die europäische Notenbank zu erfüllen habe, sei Bestandteil öffentlicher Debatten. "Jede Institution muss sich der öffentlichen Diskussion stellen", sagte Schäuble. Und das funktioniere nicht so schlecht.

Der EZB-Rat trifft sich am Donnerstag in Wien. Es ist möglich, dass die Notenbank dann die Ausnahmeregelung für griechische Staatsanleihen wieder in Kraft setzt. Hintergrund ist die jüngste Einigung zwischen griechischer Regierung, den Euro-Finanzministern und dem Internationalen Währungsfonds auf die Auszahlung einer weiteren Kredittranche. Griechische Banken könnten dann griechische Staatsanleihen wieder als Sicherheit für EZB-Kredite hinterlegen, was die prekäre Lage ein wenig entschärfen würde. Der Ankauf griechischer Staatsanleihen durch die EZB ist allerdings noch nicht geplant.

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Quelle:
SZ vom 31.05.2016
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