Süddeutsche Zeitung

Finanzmärkte:Ringen um Macht

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Der Chef von Europas Finanzmarkt­aufsicht erklärt, warum er mehr Befugnisse braucht - und stellt sich damit gegen Befürchtungen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die EU-Kommission möchte der Europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (Esma) in Paris mehr Macht geben. Bei den nationalen Aufsichtsbehörden in Europa sorgt der Plan aber für Grausen, denn sie möchten ihre Befugnisse behalten. Amtschef Steven Maijoor weist diese Befürchtungen jetzt zurück. "Die Vorschläge zur Stärkung der Esma sehen vor, dass die nationalen Aufsichtsbehörden für die meisten Bereiche zuständig bleiben", sagte Maijoor der Süddeutschen Zeitung. Gleichzeitig erhalte seine Behörde bessere Instrumente, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen der nationalen Aufsichtsbehörden konsistent seien. "Wir hatten Fälle, in denen die nationalen Aufseher die Risiken einiger Produkte nicht ausreichend berücksichtigt haben."

Maijoor hat Anfang des Jahres den Vertrieb von komplexen Finanzprodukten an Privatanleger verboten. In einigen EU-Staaten hatten nationale Behörden den Handel von sogenannten binären Optionen erlaubt, was dazu führte, dass die riskanten Produkte online europaweit gehandelt wurden - zum Schaden vieler Privatanleger. Maijoor schob dem einen Riegel vor. Das seit Jahresanfang geltende Finanzmarktgesetz Mifid 2 gibt Esma die Befugnis, Produkte europaweit zu verbieten. Es war durchaus eine Machtdemonstration der Behörde, die für Verbraucherschutz und die Sicherung der Finanzmärkte zuständig ist.

Die Deutschen halten wenig von den Plänen der Brüsseler Experten

Nun soll Esma weitere Befugnisse erhalten, um sicherzustellen, dass die Aufsichtsbehörden in allen EU-Staaten an einem Strang ziehen. "Wir sind der Meinung, dass die gleichen Risiken in den einzelnen Staaten nicht unterschiedlich behandelt werden sollten", sagte Maijoor.

Bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin hält man wenig von den Plänen in Brüssel. Es gebe keinen sachlichen Grund, europäische Aufsichtsbehörden zu Aufsehern der nationalen Aufseher zu machen, sagte Bafin-Präsident Felix Hufeld neulich. Sein Urteil: Ein bürokratisches Monstrum mit überlappenden Befugnissen brauche keiner. Doch Maijoor, der vorher an der Universität und bei der niederländischen Finanzaufsicht arbeitete, hat in den letzten Jahren bewiesen, dass er ein guter Interessenvertreter für die Belange seiner Behörde ist. Er kann komplexe Finanzmarktthemen gut und prägnant erklären, was eine Verständigung mit EU-Politikern bestimmt erleichtert.

Die EU baute 2011 als Reaktion auf die globale Finanzkrise drei europäische Behörden auf, je eine für die Aufsicht der Finanzmärkte (Esma), der Versicherungsbranche (Eiopa) und des Bankensektors (Eba). Maijoor's Behörde ist konkret für die direkte Überwachung von Ratingagenturen zuständig, sie beaufsichtigt auch Hedgefonds und Derivatemärkte. Ihre Belegschaft hat sich seit der Gründung auf 250 Mitarbeiter fast verzehnfacht. Das Team von Maijoor, der jeden Tag mit dem Fahrrad zum Büro fährt, soll nach den Plänen der EU-Kommission künftig auch bestimmte Fonds, Wertpapierprospekte und Marktindizes wie den Referenzzinssatz Euribor überwachen. Dafür könnte er 150 zusätzliche Mitarbeiter bekommen.

Der baldige Austritt Großbritanniens aus der EU stellt Maijoor vor Probleme, wenn Finanzfirmen ihre Geschäfte von der Insel auf den Kontinent verlagern. "Wir müssen vermeiden, dass innerhalb der EU ein regulatorischer oder aufsichtsrechtlicher Wettbewerb entsteht, um dieses Geschäft anzuziehen", sagt Maijoor. Er sieht die Gefahr, dass britische Finanzunternehmen nur Briefkastenfirmen in der EU gründen, ihre Mitarbeiter aber in London behalten. Das möchte er vermeiden: "Wir müssen uns auf gemeinsame Regeln und Aufsichtspraktiken einigen." Da stehen harte Verhandlungen an. Die endgültige Entscheidung darüber, wie die Umsiedlung von Firmen von Großbritannien in die EU regulatorisch zu behandeln ist, trifft jeder EU-Einzelstaat selbst. "Zwei Aufsichtsbehörden mit den besten Absichten können unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was eine akzeptable Auslagerung ist."

Die Europäische Finanzmarktaufsicht kontrolliert auch, inwieweit Investmentfonds ein Risiko für die Finanzmarktstabilität sein können. Wenn an der Börse Panik ausbricht, verkaufen auch Fonds ihre Wertpapiere. Sie verstärken damit den Preisverfall und verschärfen die Krisensituation. "Wir entwickeln Stresstests für Fonds, aber es ist wichtig zu berücksichtigen, dass Investmentfonds sich von Banken unterscheiden", sagt Maijoor. Eine Bank überlebe einen Sturm der Sparer auf ihre Konten in der Regel nicht, während sich Fonds von den Rückzahlungsforderungen der Anleger erholen könnten.

Die globale Finanzkrise verdeutlichte die Gefahren von riskanten Finanzwetten - den Derivaten. Damals wusste niemand, wo diese riskanten Wertpapiere lagen. Jetzt schon, sagt Maijoor. "Wir haben nun nahezu ein vollständiges Bild vom europäischen Derivatemarkt."

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SZ vom 07.06.2018
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