Süddeutsche Zeitung

EU-Kommission:Aktenzeichen M.8084

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Die Anmeldung des Vorhabens in Brüssel ist der Anfang einer langen Prüfung. Schon die Definition des Marktes ist nicht einfach.

Von Elisabeth Dostert, Brüssel

Jeder Fall hat eine Nummer. Unter dem Zeichen M.8084 läuft der Antrag des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer. Er hat am 30. Juni die geplante Übernahme von Monsanto bei der EU-Kommission angemeldet. Die ist schon ob der schieren Größe der Transaktion zuständig. Grundlage des Verfahrens ist die EG-Verordnung 139 aus dem Jahr 2004. Die EU-Kommission ist eine viel beschäftigte Behörde. Allein am Freitag gingen zwei Anmeldungen ein, im gesamten Juni waren es mehr als 40. Die wenigsten Fälle erreichen die Größenordnung von Bayer und Monsanto.

Die EU-Kommission prüft, ob Übernahmen oder Fusionen zu einer beherrschenden Stellung auf "relevanten Märkten" führen. Schon die Definition des relevanten Marktes ist nicht ganz einfach. Sowohl Bayer als auch Monsanto sind Agrochemie-Konzerne. Aber was ist der relevante Markt? Der Markt für Pestizide insgesamt oder der Markt für spezielle Gifte, etwa solche, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten? Und gehört dann auch der Markt für gentechnisch verändertes Saatgut für Getreide dazu, dem Glyphosat nichts anhaben kann?

Konzerne müssen nachweisen, dass nur die Transaktion einen Nutzen für die Verbraucher schafft

Die Anmeldung einer Transaktion in Brüssel löst ein komplexes Verfahren aus, das sich über viele Monate hinziehen kann. In Phase I hat die EU-Kommission 25 Werktage Zeit, den Fall zu prüfen. Die erste Frist für Bayer und Monsanto endet am 7. August. Wenn sich die Firmen nicht auf dem gleichen oder verwandten Märkten bewegen, reicht ein vereinfachtes Verfahren. Mehr als 90 Prozent der Fälle werden nach Angaben der EU-Kommission innerhalb dieser Frist entschieden, in der Regel ohne Auflagen. Die EU-Kommission kann schon in Phase I Stellungnahmen von Konkurrenten und anderen Marktteilnehmern einholen. Gegen Ende von Phase I lädt die EU-Kommission zu einem "State-of-Play-Meeting", in dem sie die Antragsteller über den Stand der Dinge informiert. Falls die Kommission Bedenken hat, können die Unternehmen Zugeständnisse anbieten, etwa den Verkauf von Geschäftsbereichen. Dann verlängert sich die Frist um zehn Werktage. Phase I endet mit der Genehmigung der Fusion - mit oder ohne Auflagen.

Wenn die EU-Kommission immer noch Bedenken hat, folgt Phase II, die vertiefte Prüfung. Die Behörde sammelt und verlangt noch mehr Informationen. Die EU-Kommission wägt ab, ob der Nutzen der Transaktion für die Verbraucher größer ist als der Nachteil. Die Konzerne müssen nachweisen, dass der Nutzen nur durch die Fusion zu erzielen ist. Und die Verbraucher müssen wirklich die Nutznießer sein, nicht der Konzern. Können die Konzerne die Bedenken der EU-Kommission nicht ausräumen, schickt diese ein Statement of Objections mit ihrer vorläufigen Einschätzung. Darauf können die Antragsteller antworten. Sie können auch eine öffentliche Anhörung verlangen. Dafür ist der Hearing Officer der EU-Kommission zuständig. In Phase II hat die EU-Kommission 90 Werktage Zeit, eine Entscheidung zu fällen, diese Frist kann um 15 Tage verlängert werden, wenn der Antragssteller weitere Zugeständnisse anbietet. Eine Verlängerung um bis zu weitere 20 Werktage ist möglich. Phase II endet mit der Genehmigung - mit oder ohne Auflagen - oder einer Untersagung, falls die Zugeständnisse der Konzerne der Behörde nicht ausreichen. Gegen die Entscheidung der EU-Kommission können die Konzerne, aber auch interessierte Beteiligte binnen zwei Monaten nach der Entscheidung beim Europäischen Gericht in Luxemburg klagen. Letzte Instanz ist in der Berufung dann der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Es gibt prominente Vorhaben, die die EU-Kommission verhinderte. Im März untersagte sie die Fusion von Deutscher Börse und Londoner Börse. 2001 verbot sie die Übernahme von Honeywell durch General Electric, weil so ein Monopol bei Triebwerken entstanden wäre. Die US-Kartellbehörden hatten sie genehmigt.

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SZ vom 05.07.2017
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