Süddeutsche Zeitung

Schuldenkrise:So könnte Griechenland wieder unter den Rettungsschirm schlüpfen

Lesezeit: 2 min

Analyse von Cerstin Gammelin, Berlin

Die griechische Regierung hat am Dienstag in einem ersten Schreiben nach Brüssel ein neues Rettungsprogramm beantragt und anschließend in einem zweiten Brief erklärt, die bereits ausgehandelten, aber bisher abgelehnten Konditionen weitgehend zu akzeptieren.

Hinter den beiden Briefen steckt Kalkül. Das neue und dann dritte Rettungsprogramm soll über den Euro-Rettungsfonds ESM laufen. Damit kommt nicht nur ein neuer Geldtopf ins Spiel, es ändern sich auch die Konditionen, unter denen Finanzhilfen gewährt werden dürfen.

Für die griechische Regierung heißt das: Neustart. Sie kann erklären, dass das verhasste und von ihren Vorgängern unterschriebene zweite Rettungsprogramm mit seinen Spar- und Reformauflagen abgeschafft wurde, so wie im Wahlkampf versprochen. Und dass jetzt ein ganz neues Programm verhandelt werde, mit neuen Auflagen und ganz sicher mit Erleichterungen im Schuldendienst.

Doch der Reihe nach: Die bisher gewährten Kredite für Griechenland liegen in einem Topf, der im Mai 2010 in höchster Not von den Euro-Staaten gegründet und Euro-Rettungsfonds EFSF genannt wurde. Die Existenz dieses Not-Topfes ist zeitlich begrenzt. Er soll so lange bestehen bleiben, wie es Kreditverpflichtungen gibt - konkret also: bis die gewährten Kredite von den Schuldnern zurückgezahlt wurden.

Auch Kredite aus dem Rettungsfonds unterliegen strengen Auflagen

Das Kürzel ESM steht für Europäischen Stabilitätsmechanismus. Der Name ist gewissermaßen auch Programm. Zugang zu den 500 Milliarden Euro gibt es für Regierungen, die in finanzielle Not gekommen sind, die wiederum so groß ist, dass die Euro-Zone insgesamt gefährdet ist. Der ESM könne aktiviert werden, "wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren", heißt es im Vertrag zum ESM. Allerdings auch: Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen "wird strengen Auflagen unterliegen".

Was bedeutet das nun für den Fall Griechenland? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Vertrag für den ESM federführend ausgehandelt. Er weiß, dass die entscheidende Voraussetzung dafür, dass eine griechische Regierung auf Hilfen aus dem ESM hoffen darf, die Einschätzung der Euro-Gruppe sein muss, dass die Krise in Griechenland die gesamte Euro-Zone gefährden könnte. Oder, anders gesagt, die Erfüllung von Auflagen des zweiten Rettungsprogramms, das am Dienstag um Mitternacht auslief, spielt bei der Entscheidung über weitere Finanzhilfen aus dem Euro-Rettungsfonds keine Rolle.

Das Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Partners ist erschüttert

Aus politischer Sicht ist die Nichterfüllung im zweiten Rettungsprogramm allerdings durchaus bedeutend. Die Gewährung von Kredithilfen ist immer auch mit einem grundsätzlichen Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Partners verbunden. Dieses Vertrauen ist erschüttert. Um über den Antrag Athens auf Finanzhilfen, der formal richtig gestellt wurde, überhaupt verhandeln zu können, sind mehrere Schritte nötig.

Zuerst muss die Euro-Gruppe den Antrag formal annehmen. Die EU-Kommission muss mit der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Analyse erstellen, ob die Krise in Griechenland die Euro-Zone gefährdet - es sei denn, die EZB hat eine solche Analyse bereits vorgelegt. Zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds müssen EZB und EU-Kommission weiterhin analysieren, ob Athen seine Schulden tragen kann und falls nicht, Maßnahmen dazu empfehlen.

Danach müssen einige EU-Regierungen, darunter die Bundesregierung, ihre Parlamente um ein Mandat bitten, Gespräche über ein drittes Hilfspaket aufnehmen zu dürfen. Erhält die Bundesregierung das Mandat, werden Verhandlungen über Finanzhilfen nebst Bedingungen beginnen. Am Ende müsste der Gouverneursrat des ESM, dem alle Finanzminister angehören, über die Hilfen entscheiden.

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SZ vom 02.07.2015
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