Süddeutsche Zeitung

EU-Budget:Neun Milliarden Euro mehr

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Deutschland hat einen Kompromissvorschlag vorgelegt, um den Haushaltsstreit zu beenden. Die Frage ist allerdings, ob dies reicht: Die Parlamentarier hatten wesentlich mehr gefordert.

Von Björn Finke, Brüssel

Neun Milliarden Euro mehr sollen es richten, vielleicht auch ein oder zwei weniger: Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß hat dem Europaparlament am Mittwoch einen Kompromissvorschlag im Streit um den EU-Haushalt präsentiert. In dem vierseitigen Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, dass "am Ende eine Erhöhung um eine hohe einstellige Zahl (in Milliarden Euro) für den gesamten Zeitraum des Haushalts eventuell möglich sein" könne. An diesem Donnerstag treffen sich Abgesandte des Parlaments mit Clauß zur siebten Verhandlungsrunde.

Das Parlament muss dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), dem groben EU-Haushalt für die sieben Jahre von 2021 bis 2027, sowie dem Corona-Hilfstopf zustimmen, damit die Auszahlungen im Januar pünktlich beginnen können. Die 27 Staats- und Regierungschefs einigten sich beim historischen Gipfel im Juli auf einen MFR im Umfang von 1074 Milliarden Euro. Dazu kommt der 750 Milliarden Euro schwere Corona-Topf. Das Parlament fordert allerdings einen deutlich üppigeren Haushalt; insbesondere wichtige EU-Programme wie Horizon zur Forschungsförderung sollen aufgestockt werden. Da Deutschland im Juli die rotierende Ratspräsidentschaft übernommen hat, vertritt der deutsche EU-Botschafter Clauß die 27 Mitgliedstaaten in den Verhandlungen.

Die Abgeordneten verlangten zwischenzeitlich mehr als 100 Milliarden Euro Aufschlag für 15 bedeutende Programme. Jetzt offeriert Clauß bis zu neun Milliarden Euro mehr, was mit Blick auf das Gesamtvolumen von 1074 Milliarden Euro für die sieben Jahre nicht nach viel klingt. Aber die Deutschen spekulieren darauf, dass es trotzdem reichen könnte. Clauß betont in dem Brief, dass er die Gesamtsumme von 1074 Milliarden Euro auch nicht erhöhen will, denn für so etwas wäre ein neuer EU-Gipfel notwendig. Stattdessen soll Geld umgeschichtet werden, zugunsten der Programme. Die Abgeordneten geben sich unbeeindruckt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies ein ernsthaftes Angebot sein soll", sagt Rasmus Andresen. Der Grüne ist der einzige Deutsche im sechsköpfigen Verhandlungsteam des Parlaments.

Clauß verspricht den Abgeordneten zudem, dass es in der Mitte des siebenjährigen Budgetzeitraums eine Überprüfung der Haushaltspläne geben soll. Die Gipfelbeschlüsse von Juli sahen das eigentlich nicht vor, doch den Parlamentariern ist dies wichtig. Drittens soll die Rolle des Parlaments bei der Überwachung der Mittel aus dem Corona-Topf gestärkt werden. Und viertens soll, wie von den Abgeordneten gewünscht, ein konkreter Zeitplan aufgestellt werden, wann Kommission, Mitgliedstaaten und Parlament über neue Einnahmequellen für die EU debattieren: zum Beispiel eine Abgabe für Digitalkonzerne oder Erlöse aus dem Emissionshandelssystem. Solche Einnahmen sollen es der Kommission vereinfachen, die Schulden zurückzuzahlen, die sie für den Corona-Hilfstopf aufnimmt.

Im letzten Absatz des Briefes spricht Clauß noch eins der heikelsten Themen bei den Verhandlungen an: den Rechtsstaatsmechanismus. Der Gipfel einigte sich darauf, erstmals eine Regelung einzuführen, nach der die Auszahlung von EU-Mitteln gestoppt werden kann, wenn der Rechtsstaat in den Empfängerländern nicht funktioniert. Allerdings war der Beschluss sehr wolkig gehalten, aus Rücksicht auf die Regierungen von Polen und Ungarn, die solch eine Koppelung ablehnen. Diese Position überrascht nicht, denn gegen beide Regierungen laufen EU-Verfahren wegen Sorgen um den Rechtsstaat. Da die Beschlüsse so mehrdeutig und die Details umstritten waren, konnte die Bundesregierung erst vorige Woche einen Kompromissvorschlag präsentieren, wie dieses Instrument genau aussehen soll. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten nahm diesen Vorschlag an, so dass er jetzt als Verhandlungsmandat für die Gespräche mit dem Parlament dient.

Diese Verhandlungen sollen am Montag beginnen; sie laufen getrennt von denen über die Höhe des Etats - und sie dürften sehr schwierig werden, weil das Parlament den deutschen Vorschlag für zu lasch hält. Die Bundesregierung kann in den Gesprächen aber auch nicht zu viele Zugeständnisse machen. Schließlich drohen Polen und Ungarn, ansonsten den Corona-Hilfstopf zu blockieren: Die 27 Regierungen und die meisten nationalen Parlamente müssen noch der Neuerung zustimmen, dass die Kommission für den Topf im großen Stil Schulden aufnehmen darf - und das könnten Warschau und Budapest verweigern, wenn ihnen das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Europaparlament nicht passt.

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