Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Wie die EU Steuertricks der Konzerne bekämpfen will

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Die Kommission präsentiert am Dienstag eine neue Strategie. Unter anderem will die Behörde einheitliche Regeln festsetzen, wie nationale Finanzämter den Gewinn von Unternehmen ermitteln. Doch die Widerstände sind gewaltig.

Von Björn Finke, Brüssel

Die EU-Kommission will in Europa ein einfacheres und faireres System für Firmensteuern etablieren - und könnte damit erneut auf den erbitterten Widerstand mancher Mitgliedstaaten stoßen. An diesem Dienstag wird die Brüsseler Behörde ein Strategiepapier zur "Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert" verabschieden, dessen 16-seitiger Entwurf der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Hier verspricht die Kommission unter anderem, bis Jahresende einen Gesetzentwurf zu präsentieren, der den Missbrauch von Briefkastenfirmen für Steuertricks erschweren soll. Im kommenden Jahr soll ein Rechtsakt folgen, der große Konzerne zwingen würde, zu veröffentlichen, wie hoch der tatsächliche Steuersatz auf ihre Gewinne ist.

Die Kommission befürchtet auch, die Steuergesetze der Mitgliedstaaten führten dazu, dass Unternehmen Investitionen lieber mit Krediten als durch neues Kapital finanzieren - etwa durch die Ausgabe weiterer Aktien. Schließlich kann mit Zinszahlungen für Darlehen der zu versteuernde Gewinn kleingerechnet werden. Ergebnis dieser Anreize könnte sein, dass Konzerne zu viele Schulden anhäufen. Abhilfe soll ein Gesetzentwurf schaffen, der diese steuerliche Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Krediten beendet.

Zudem legt die Behörde in dem Papier dar, wie sie eine mögliche Einigung auf eine globale Unternehmensteuerreform in Europa umsetzen will. Bei der Industrieländer-Organisation OECD in Paris verhandeln 139 Staaten über so eine Initiative; nachdem die neue US-Regierung Einigungswillen signalisiert hat, könnte ein Abschluss schon in diesem Sommer gelingen. Die Reform würde zum einen eine Mindeststeuer auf Konzerngewinne festschreiben und zum anderen die Rechte, ein Unternehmen zu besteuern, fairer zwischen den Ländern aufteilen. Manche Konzerne erzielen viel Umsatz und Gewinn in Staaten, in denen sie keine Niederlassung haben. Künftig sollen jene Länder trotzdem einen Teil der Gewinne versteuern dürfen.

Das zielt vor allem auf Digitalkonzerne wie Amazon und Google ab, die in Europa prächtig verdienen, aber dort kaum Gewinnsteuern zahlen. Gelingt die Einigung, würde die Kommission die neuen globalen Regeln mithilfe von Richtlinien in den EU-Staaten umsetzen, heißt es in dem Strategiepapier.

"Brüssel hat sich mehrfach eine blutige Nase geholt."

Für den weitreichendsten Vorschlag will sich die Behörde mehr Zeit lassen: Erst 2023 soll BEFIT kommen. Hinter der schönen englischen Abkürzung verbirgt sich der Plan, in den Mitgliedstaaten einheitliche Regeln festzusetzen, wie der zu versteuernde Gewinn von internationalen Unternehmen ermittelt wird. Konzerne, die in mehreren EU-Ländern aktiv sind, müssten sich dann nicht mehr mit unterschiedlichen Vorschriften herumärgern. Zugleich soll die Gefahr gebannt werden, dass Firmen Unterschiede bei den Regeln ausnutzen, um mit findigen Tricks ihre Steuerlast zu senken.

Bei solch grenzüberschreitend tätigen Konzernen würde der zu versteuernde Gewinn für die gesamte EU ermittelt - und danach nach einer festgelegten Formel auf die Mitgliedstaaten verteilt, je nachdem, wie aktiv die Unternehmen in den einzelnen Ländern sind. Die Regierungen würden ihren Teil des zu versteuernden Gewinns mit dem nationalen Steuersatz belasten; diese Sätze würden also nicht vereinheitlicht.

Doch schlug die Kommission bereits 2011 ein ähnliches Konzept vor: die gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage. Hier geht es wegen des Widerstands einiger Mitgliedstaaten aber nicht voran. Die Behörde will den alten Vorschlag zurückziehen und durch den neuen ersetzen. Ein wichtiger Unterschied zum alten Konzept sei, dass nun Elemente der globalen Steuerreform bei der OECD miteinfließen könnten, heißt es in dem Papier.

Im Europaparlament hält sich die Begeisterung trotzdem in Grenzen: So nennt der CSU-Abgeordnete Markus Ferber das Papier "wenig revolutionär"; es lese sich "wie ein Best-of bekannter Vorschläge, welche die Kommission in den vergangenen Jahren nicht durchsetzen konnte", klagt der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion. Einheitliche Regeln zur Ermittlung des zu versteuernden Gewinns wären zwar "ein echter Mehrwert" für den EU-Binnenmarkt. "Allerdings hat sich die Kommission mit ähnlichen Vorschlägen bereits mehrfach eine blutige Nase geholt", sagt Ferber. "Eine klare Strategie, wie sie diesmal die Mitgliedstaaten überzeugen will, bleibt die Kommission schuldig."

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