Süddeutsche Zeitung

Umweltschutz:EU plant laxe Abgasnormen

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Die Kommission präsentiert bald das lang erwartete Gesetz zu den Euro-7-Grenzwerten für Autoabgase. Einem Entwurf zufolge wird sich für Pkw wenig ändern. Umweltschützer sind sauer.

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um die Gesundheit der EU-Bürger und um die Zukunft einer der wichtigsten Industrien in Europa: Anfang November will die EU-Kommission den mehrfach verschobenen Gesetzentwurf für die neue Abgasnorm Euro 7 präsentieren. Diese Verordnung regelt, wie viel schädliche Stoffe Autos und Laster aus dem Auspuff jagen dürfen, etwa Stickoxide und Feinstaub. Das bisherige Regelwerk namens Euro 6 soll - vermutlich im Jahr 2025 - von Euro 7 ersetzt werden. Der Süddeutschen Zeitung liegt ein 44-seitiger Entwurf der Verordnung vor, und der schafft das Kunststück, sowohl Umweltschützer als auch industriefreundliche Europaabgeordnete zu erzürnen.

Ändert sich der Entwurf bis zur Verabschiedung nicht mehr, wird die Kommission vorschlagen, die Grenzwerte für Autos einfach auf dem Niveau zu lassen, das Euro 6 jetzt schon für Benzinmotoren vorsieht. Für Benziner würde sich also nichts ändern. Eine leichte Verschärfung brächte der Vorschlag lediglich für Dieselautos, die dann weniger Stickoxid herausblasen dürften. Deutlich härter würden die Grenzwerte nur für Busse und Lastwagen. Daneben will die Brüsseler Behörde die Testverfahren strikter gestalten.

Dass sich die Kommission für eine vergleichsweise milde Verschärfung entschieden hat, begründet sie mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage und den gestiegenen Rohstoffkosten der Autobranche. Außerdem verweist die Behörde darauf, dass die Konzerne in den Umstieg auf Elektroantriebe investieren müssen. Schließlich besagt ein anderer umstrittener Rechtsakt aus Brüssel, dass von 2035 an nur noch Elektrofahrzeuge neu zugelassen werden können.

Umweltgruppen beklagen "schmutzige Tricks"

Bevor Euro 7 in Kraft treten kann, müssen sich aber Europaparlament und Ministerrat damit befassen, die Gesetzgebungskammer der Mitgliedstaaten. Im EU-Parlament geht auch diese schwache Verschärfung den Christdemokraten, der größten Fraktion, bereits zu weit. "Die verschärften Abgasnormen machen das Auslaufmodell Verbrennungsmotor in seiner Gnadenphase zur kostspieligen Investition", sagt der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. "Das Timing könnte kaum unpassender sein: Die Welt geht in Flammen auf, die Inflation lässt die Preise in die Höhe schnellen, und die Kommission schlägt neue Abgasnormen vor, die letztlich die Preise für Autos und vor allem Laster und Busse weiter erhöhen werden", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion.

Auf der anderen Seite klagt Anna Krajinska von der EU-Umweltgruppe Transport & Environment über einen "Skandal", denn die Kommission habe mit diesem laxen Vorschlag die Empfehlungen ihres eigenen Expertengremiums ignoriert. Die Brüsseler Organisation schätzt, dass bis 2035 noch 100 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor in der EU verkauft werden. "Die Autoindustrie hat Euro 7 heftig bekämpft und dabei eine Vielzahl schmutziger Tricks benutzt, um Entscheider zu beeinflussen", moniert Krajinska. "Nun hat die Kommission diesen Forderungen nachgegeben."

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