Süddeutsche Zeitung

Essenslieferdienst:Umsatz verdoppelt, Verlust auch

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Dax-Neuling Delivery Hero rutscht noch tiefer in die roten Zahlen - und übernimmt einen Online-Shop für Lebensmittel aus Dubai.

Von Vivien Timmler, München

Der Essenslieferdienst Delivery Hero hat ausgerechnet während der Corona-Pandemie seine Verluste noch einmal kräftig ausgebaut. Das seit dieser Woche im Dax gelistete Unternehmen machte im ersten Halbjahr einen Verlust von 443 Millionen Euro und damit mehr als doppelt so viel Minus wie im Vorjahreszeitraum. Delivery Hero begründet dies zum einen mit der finanziellen Unterstützung für Restaurants, die in der Corona-Krise notwendig geworden sei. Zudem habe man viel Geld in den Ausbau der sogenannten "Dmart-Depots" investiert. Das sind unternehmenseigene Lagergebäude, von denen aus die Waren innerhalb kürzester Zeit an Kunden geliefert werden können. Ähnlich arbeitet beispielsweise auch Amazon.

Weltweit zählen die Essenlieferdienste eigentlich zu den Profiteuren der Pandemie. Viele Kunden lassen sich seit März angesichts geschlossener Restaurants und Kantinen deutlich häufiger Essen nach Hause liefern als vor der Corona-Krise. Auch Delivery Hero spürt diesen Bestellboom: Der Umsatz mit Essenslieferungen verdoppelte sich im ersten Halbjahr nahezu auf knapp 1,13 Milliarden Euro. Aus den roten Zahlen kommt das Unternehmen dadurch jedoch nicht: Das laufende Geschäft kann die entstehenden Kosten nach wie vor nicht decken. Ein höherer Umsatz geht also auch mit höheren Verlusten einher. Finanzvorstand Emmanuel Thomassin zufolge kein Problem, schließlich lege Delivery Hero den Fokus nach wie vor auf Wachstum, "nicht auf Gewinne" - und die Akquise neuer Kunden koste nun einmal.

Ungeachtet der Verluste hat Delivery Hero inzwischen den Platz des Skandalkonzerns Wirecard im Dax eingenommen. Ein so schneller Aufstieg in die erste Börsenliga ist bislang einmalig: Gegründet 2011, ging die Firma 2017 an die Börse, damals für 25,50 Euro je Aktie. Derzeit pendelt der Kurs um die 95 Euro. Das Unternehmen ist an der Börse knapp 20 Milliarden Euro wert - etwa viermal soviel wie die Lufthansa. Kritiker fragen sich jedoch, ob Delivery Hero wirklich schon reif für den Dax ist.

Währendessen setzt der Lieferdienst seine Expansion in der Welt fort: Am Donnerstag gab die in Berlin ansässige Firma bekannt, den digitalen Lebensmittel-Marktplatz Instashop aus Dubai übernommen zu haben, der sein Geschäft im Nahen Osten und in Nordafrika betreibt. Ziel sei es nun, neue Märkte zu erschließen. Im Gegensatz zu Delivery Hero soll Instashop bereits schwarze Zahlen schreiben. Das Unternehmen wird mit umgerechnet 305 Millionen Euro bewertet. Die Anleger konnte der Zukauf jedoch nicht überzeugen: Die Aktien von Delivery Hero gaben am Donnerstag bis zu 2,4 Prozent nach und gehörten zu den größten Verlieren im Dax - ein Indiz dafür, dass viele Investoren Zweifel daran haben, ob das Geschäft des Dax-Neulings langfristig profitabel werden kann.

Neben den roten Zahlen sorgen bei Delivery Hero auch die Arbeitsbedingungen der Fahrradkuriere immer wieder für Kritik. Ein hohes Stresslevel bei einer Bezahlung knapp über dem Mindestlohn führt bei vielen Lieferdiensten zu einer hohen Fluktuation unter den Fahrern.

Insgesamt betreibt Delivery Hero nun Bestellplattformen für das Essen lokaler Anbieter in mehr als 40 Ländern. Geld verdient die Firma vor allem mit Provisionen, die die teilnehmenden Restaurants für die Kundenvermittlung bezahlen. Von den insgesamt 25 000 Mitarbeitern arbeiten etwa 1300 in Berlin - aktiv ist das Unternehmen hierzulande aber nicht mehr. Ende Juli hatte es sein Deutschlandgeschäft mit Marken wie pizza.de, Lieferheld und Foodora für knapp eine Milliarde Euro an den niederländischen Konkurrenten Takeaway.com verkauft.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2020
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