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Erzbistum Köln:Mitarbeiterin wegen Bürostuhl gekündigt - Gericht äußert Zweifel

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Weil sie kurz nach dem Ausbruch der Corona-Krise einen Bürostuhl mit ins Home-Office genommen hatte, hat das Bistum Köln einer Justiziarin gekündigt. In dem Verfahren geht es auch um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.

Es ist kurz nach Beginn der Corona-Pandemie, das Arbeitsleben verlagert sich ins Home-Office. Weil die meisten Arbeitnehmer nicht für das Arbeiten im Home-Office ausgestattet sind, nehmen viele von ihnen Bürostühle, Monitore und dergleichen von ihrem Arbeitsplatz mit nach Hause. So auch eine ehemalige Justiziarin des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki. Deswegen hatte das Erzbistum Köln der Frau gekündigt. Sie ging gerichtlich gegen die Kündigung vor.

Das Arbeitsgericht Köln hat nun Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung der Frau wegen des mitgenommenen Bürostuhls geäußert. Das Gericht habe diesbezüglich "erhebliche Bedenken", sagte Richter Hans-Stephan Decker am Dienstag in einer weiteren Verhandlung in dem Fall. Natürlich könne ein Arbeitnehmer nicht einfach Bürostühle oder andere Arbeitsmittel mit nach Hause nehmen, sagte Decker. Aber im konkreten Fall, der sich relativ kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie ereignet habe, müsse man berücksichtigen, dass es Situationen gegeben habe, in denen mehr zu Hause gearbeitet werden sollte. Kaum ein Home-Office sei damals jedoch richtig eingerichtet gewesen, stellte der Richter fest.

Die frühere Justiziarin des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki klagt in dem Verfahren gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Zudem geht es vor dem Arbeitsgericht um eine Ruhestandsverfügung wegen Dienstunfähigkeit. Fraglich ist bei diesem Punkt, ob ein Gutachten vom Januar 2021 für diesen Schritt ausgereicht hatte.

In einer Verhandlung im vergangenen Jahr hatte der Anwalt des Erzbistums erklärt, bei dem Bürostuhl gehe es um einen "Gegenstand von durchaus erheblichem Wert" - die Mitnahme sei "illegal" gewesen. "Es gibt keinen einzigen Bürostuhl, der in Corona-Zeiten mit nach Hause genommen werden durfte", hatte er erläutert. Zudem habe sich die Justiziarin kurz danach krankgemeldet. Der Anwalt der Juristin hatte erklärt, seine Mandantin leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie habe jahrelang die Akten zu den Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch durch Priester des Erzbistums durcharbeiten müssen.

Es geht auch um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle

Neben der Klage gegen das Ende ihres Arbeitsverhältnisses verlangt die Frau zusätzlich mindestens 50 000 Euro Schmerzensgeld. Mit Blick auf das geforderte Schmerzensgeld hatte das Gericht allerdings mehrere Nachfragen an den Anwalt der Ex-Justiziarin. Der Anspruch werde unter anderem auf eine unzureichende Schulung für die Klägerin bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gestützt, sagte Richter Decker. "Hat sie jemals versucht, in Gesprächen, eine Schulung bewilligt zu bekommen?", fragte er. "Davon gehe ich aus, ohne mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen", sagte ihr Anwalt. Aber grundsätzlich gehe es doch um eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, argumentierte er. "Es muss doch nicht der Arbeitnehmer einfordern, dass er eine trittsichere Leiter bekommt." Darauf entgegnete der Richter, die Frau sei keine Malerin oder Lackiererin gewesen, sondern die Leiterin der Stabsabteilung Recht. "Je höher eine Position angesiedelt ist, desto mehr Eigeninitiative, Selbstverantwortung erwartet man", sagte er.

Die Frau selbst war bei dem Termin nicht im Saal. Das Gericht zog sich zu weiteren Beratungen zurück. Ob am Dienstag ein Urteil gesprochen werden könnte, war unklar. Ein Gütetermin hatte keine Annäherung der Parteien gebracht.

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