Süddeutsche Zeitung

Energie:Die Luft ist raus

Lesezeit: 2 min

Deutschland fällt im internationalen Vergleich beim Ausbau des Ökostroms zurück. Nun will Wirtschaftsminister Peter Altmaier einen neuen Konsens schmieden - zur Rettung der Windkraft.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die neue Hiobsbotschaft kommt am Donnerstag, versteckt hinter Erfolgsmeldungen. Innerhalb nur eines Jahrzehnts hat sich die Kapazität der erneuerbaren Energien weltweit vervierfacht. Weltweit trügen sie mittlerweile 13 Prozent zum Strommix bei, fanden Forscher der Frankfurt School of Finance and Management heraus, die mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen kooperiert. Unfassbare 2,3 Billionen Euro flossen dafür, und innerhalb Europas ist Deutschland in dieser Dekade führend, mit 162 Milliarden Euro. Oder besser: war?

Denn für das vergangene Jahr konstatiert die Studie einen Einbruch in Deutschland. Allein bei der Windenergie an Land hätten sich die Investitionen auf 2,8 Milliarden Euro halbiert, "den niedrigsten Wert seit 2013". Abgefedert wurde das nur durch wachsende Investitionen in Solarenergie, sie legten um 62 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro zu. "Als früheres Frontrunner-Land muss einen das durchaus nachdenklich machen", sagt Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. Zumal andere Länder nicht schlafen. "Das Wachstum beim Wind findet jetzt woanders statt", sagt Ulf Moslener, der die Studie bei der Frankfurt School betreute. Etwa mit großen Offshore-Windparks in Taiwan.

Bundesweit fehlen Genehmigungen, weil Behörden auf Nummer sicher gehen

Nachdenklich ist mittlerweile auch der Bundeswirtschaftsminister. "Wir erleben, dass sich die Branche in schweren Problemen befindet", sagt Peter Altmaier (CDU). Er hatte am Donnerstag zum Krisengipfel nach Berlin geladen, fünf Dutzend Vertreter aus Ländern, von Firmen, aber auch von Anti-Windkraft-Bürgerinitiativen. Die Lage ist vertrackt: Bundesweit fehlen Genehmigungen, weil Behörden auf Nummer sicher gehen. Sie fordern Gutachten um Gutachten ein, um ihre Entscheidung rechtlich abzusichern. Umstritten sind auch die Vorgaben der Deutschen Flugsicherung, die bundesweit Windparks vereiteln - durch Sicherheitsabstände zu Funkfeuern, die aus Sicht der Branche überzogen streng sind. Allein ein Funkfeuer beim rheinischen Düren vereitelt zurzeit 700 Megawatt Windkraft. Wenn der Wind weht, entspricht das der Leistung eines Steinkohlekraftwerks.

"Wir brauchen den Umbau des Energiesystems."

Fälle wie dieser treiben auch die Länderminister um, die zu Altmaiers Gipfel geeilt sind. "Lasst uns doch bitte vernünftige Rahmenbedingungen setzen", sagt am Ende Olaf Lies (SPD), der Energieminister Niedersachsens. Würde sich Deutschland bei der Flugsicherung nach europäischen Vorgaben richten, könne das massenhaft neue Windparks möglich machen, die derzeit an den Behörden scheitern. Ähnlich äußert sich sein Amtskollege Andreas Pinkwart (FDP) aus Nordrhein-Westfalen. "Wir haben viele Felder, wo wir sehr praktisch etwas tun können", sagt er. Dies müsse aber mit "Maß und Mitte" geschehen. "Wir brauchen den Umbau des Energiesystems", sagte Pinkwart nach dem Treffen. "Aber wir müssen sehr darauf achten, dass wir die Akzeptanz von vornherein erhalten."

Das sieht Altmaier auch so. Bewusst hatte er auch Gegner der Windenergie eingeladen. "Das war das erste Mal in der Geschichte der Energiewende, dass wir alle an einem Tisch hatten" - aus Altmaiers Sicht ein erster Schritt hin zu einer neuen Übereinkunft rund um die Windkraft. "Wir sind daran interessiert, dass wir einen großen Konsens zustande bringen, wie uns das beim Atomausstieg und beim Kohleausstieg gelungen ist." Daran müssten alle Betroffenen mitwirken, von den Beschäftigten über Kommunen und Industrie bis hin zu denen, die sich von Windrädern gestört fühlen.

Was alles zu tun sei, das wolle man nun in den nächsten Wochen "ermitteln", kündigt Altmaier am Donnerstag an. Und setzt dann nach: "Wir wissen, dass es für die Unternehmen höchste Zeit ist."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4589018
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.09.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.