Süddeutsche Zeitung

Börsen:Hört die Signale

Lesezeit: 2 min

Elon Musk twittert, Menschen kaufen - und zwar nicht nur Autos. Über die Sehnsucht nach dem nächsten großen Ding.

Von Berit Dießelkämper, München

Als gemeiner Homo homeofficus ist man für den Einstieg in das Aktienbusiness grundsätzlich immer zu spät dran. Der Aufstieg der Zoom-Aktie im März vergangenen Jahres? Verpasst. Der Höhenflug der Slack-Aktie? Auch verpasst. Der Börsen-Heißhunger nach Delivery Hero? Nun ja, verpasst. Klar, das hätte man alles voraussehen können. Aber das Risiko! Besser ist, man hält sich an jemanden, dem man vertrauen kann. Für manche Leute fällt Elon Musk in diese Kategorie. Der superreiche Superunternehmer twitterte "Use Signal", also "Benutzt Signal", und meinte damit den verschlüsselnden Nachrichtendienst, weshalb sich wohl viele dachten, das sei nun endlich ihr großer Moment: Auf an die Börse, jetzt zählt's! Eine Woche, fast 60 000 Retweets und einen falschen Aktienboom später kommt der große Kater für manche Neuaktionäre. Und die Profis? Die profitieren mal wieder.

Weil der Messenger-Dienst Whatsapp sich bis Anfang Februar neue Datenschutzrichtlinie von seinen Nutzerinnen und Nutzern akzeptieren lässt, rieten Experten, auf andere Messenger umzusteigen. Auf Dienste, die nicht ihre Daten mit Facebook teilen wollen - wie Signal. Vermutlich ging es in Elon Musks Tweet darum. Dumm nur, dass er so viel Macht hat, dass die Welt seine zwei Worte direkt als Kaufempfehlung interpretierte. Noch dümmer, dass sie daraufhin eine falsche Aktie kaufte. Der Messenger Signal ist nämlich überhaupt nicht an der Börse notiert, sondern eine gemeinnützige Organisation, die sich über Spenden finanziert.

Aber da ist doch eine Aktie, die so heißt? Nun ja, fast: Signal Advance ist ein Medizintechnik-Unternehmen aus den USA. Nach Musks Tweet stieg der Kurs der Firma von 0,60 Dollar auf zeitweise 70 Dollar am Montag. Laut Finanzdienstleister Refinitiv war das Unternehmen plötzlich an der Börse mehr als drei Milliarden Dollar wert.

Ähnliches passierte bei der Datingapp Snap Interactive, die viele für das Social-Media-Unternehmen Snap Inc. hielten. Oder beim Zoom-Boom vergangenes Jahr, als plötzlich die Aktie eines Telekommunikationslieferanten aus Peking mit einem ähnlichen Namen stieg. Das ist sie, die Sehnsucht der Ahnungslosen nach dem neuen großen Ding und steigenden Kursen.

Nachdem der Irrtum klar wurde, fiel Medizin-Signal am Mittwoch wieder auf acht Dollar - was ja wiederum heißt, dass der kleine Aktienmann ohne Ahnung verliert und der große Aktienmann, der schon vorher Aktien hatte, gewinnt. Rund 1200 Prozent um genau zu sein. Herzlichen Dank! Und das nur wegen eines Tweets und der Hoffnung, auch endlich mal rechtzeitig dabei zu sein.

Messenger-Signal freute sich auf Twitter über den Hype und das Interesse an ihrem Unternehmen, sagte aber auch, dass sie mit Medizin-Signal nichts zu tun hätten. Dazu gab es noch einen Spendenlink zum "Investieren in die eigene Privatsphäre". Medizin-Signal twitterte nichts, der letzte Eintrag ist aus dem März 2016. Dort schreibt das Unternehmen, dass die Aktie gestiegen sei - auf 0,10 Dollar. Und ist damit auch viel zu spät zur Party.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5174670
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.