Süddeutsche Zeitung

Einzelhandel:Die Angst der Kleinen

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Von den neuen Sicherheits­vorschriften beim Bezahlen könnten vor allem die starken Unternehmen profitieren.

Von Felicitas Wilke und Nils Wischmeyer, Köln/München

Es ist der Albtraum von Onlinehändlern, aber auch Teil ihres Geschäfts: Der Kunde hat einen Artikel in den Warenkorb gelegt, seinen Namen und die Lieferadresse eingetippt und bricht den Kauf dann noch vor der Zahlung ab. Weil er nicht mit Kreditkarte bezahlen möchte oder weil er kein Paypal nutzt. Die Abbruchquote könnte bald noch steigen, wenn sich Kunden von September an aus Sicherheitsgründen mit zwei der drei zusätzlichen Angaben noch konkreter ausweisen müssen. Das Einkaufen im Netz könnte dann weitere Nutzer abschrecken, weil es komplizierter wird, wenn sie eine App oder ein zusätzliches Passwort einrichten müssen.

Den Händlern könnte das empfindlich wehtun: Der Bezahldienst Stripe warnt in einer Studie vor drohenden Milliardenverlusten für europäische Onlinehändler. Die Sorge: Weil der zusätzliche Schritt zu lange dauert, brechen mehr Menschen den Kauf ab. Und das kostet die Händler im Internet bares Geld, da der Kunde das Produkt gar nicht mehr kauft oder bei jemand anderem zulangt und im schlimmsten Fall gar nicht mehr auf die Webseite zurückkommt, weil er eine schlechte Erfahrung gemacht hat.

Zu einem mindestens ebenso großen Problem vor allem für kleine Händler könnte die "Whitelist" werden, die es bei vielen Banken geben wird. Darauf können Kunden verschiedene Webseiten setzen lassen, bei denen die Geldinstitute auf eine Zwei-Faktor-Authentifizierung verzichten sollen. Einmal dort vermerkt, entfällt der lästige, zweite Schritt.

Doch wie oft werden sich Kunden die Mühe machen, die Whitelist zu erweitern? Sicherlich nicht bei jedem Händler, sondern nur bei jenen, bei denen der Kunde häufiger einkauft, vermutet Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). "Kleinere Shops und Händler, bei denen nur gelegentlich eingekauft wird, können so ins Hintertreffen geraten", befürchtet er.

Hinzu kommt, dass die Bank das letzte Wort hat. Sie könnte, um ihr eigenes Risiko zu minimieren, nur bekannte Händler auf die Whitelist setzen. Immerhin haften die Geldinstitute, wenn doch mal etwas schief geht. Der kleine Shop des Hobbyverkäufers würde dann hinten runterfallen.

Dennoch sehen nicht alle für die kleinen Händler schwarz - selbst dann nicht, wenn sie es nicht auf die Whitelist schaffen sollten. "Die Kunden werden sich schnell daran gewöhnen, dass das Einkaufen im Internet bald überall ein bisschen komplizierter wird", glaubt Ralf Gladis, der Unternehmen mit seinem Zahlungsdienstleister Computop berät. In den ersten Monaten rechnet er zwar mit mehr Abbrüchen, glaubt aber, dass sich die Lage bis Weihnachten einpendeln wird. Er sieht die kleinen Online-Shops im Vorteil, die ihren Kunden künftig auch den Kauf auf Rechnung und das Lastschriftverfahren als Bezahlart anbieten. "Das ist für Händler zwar teurer als das Bezahlen per Kreditkarte, weil sie sich gegen Ausfallrisiken absichern müssen", sagt Gladis. Doch die Zwei-Faktor-Authentifizierung gilt für diese Bezahlarten nicht. Die Kunden könnten künftig also auch bei kleinen Händlern noch mehr Auswahl haben.

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Quelle:
SZ vom 21.06.2019
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