Süddeutsche Zeitung

Drogenpolitik:Gebt Cannabis frei

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Kommentar von Guido Bohsem

Manchmal lohnt ein kleines Sprachexperiment. Man nehme ein paar typische Sätze über die Gefahren des Konsums von Cannabis und tausche ein einziges Wort aus. Zum Beispiel: Der regelmäßige Konsum von Alkohol schadet der Hirnreifung von Jugendlichen. Oder: Vor allem Jugendliche, die vor dem 15. Lebensjahr mit dem Trinken beginnen, müssen mit erheblichen Schäden rechnen. Das Ergebnis ist verblüffend. Trotz des Austauschs werden die Sätze nicht falsch - obwohl sie jetzt von der erlaubten Droge Alkohol handeln statt von der verbotenen Droge Cannabis.

Warum wird der Umgang mit dem einen Rauschgift bestraft, der mit dem anderen aber nicht? Eine logische Begründung für diese unterschiedliche rechtliche Behandlung gibt es nicht. Manchmal wird gesagt, das Leben mit Alkohol sei hierzulande kulturell erlernt. Dagegen spricht, dass die Deutschen pro Kopf und Jahr umgerechnet eine ganze Badewanne voller alkoholischer Getränke konsumieren, etwa 1,3 Millionen abhängig von Alkohol sind und sich jedes Jahr mehr als 1000 zu Tode saufen. Die Zahl der bekannten Haschisch-Toten liegt bei Null.

Das meint nicht, dass Cannabis-Konsum harmlos ist. Die Risiken eines übermäßigen Konsums sind unbestritten. Doch rechtfertigt die Möglichkeit einer Selbstschädigung kein Verbot, keine Einschränkung der individuellen Freiheit. Ansonsten müsste der Staat den Leuten auch das Pilzesammeln verbieten. Denn auch das kann schlimme Folgen haben.

Das Cannabis-Verbot ist ohnehin wirkungslos

Die Konsumenten haben das Cannabis-Verbot ohnehin längst wirkungslos gemacht. Die Masse von Leuten, die sich jeden Tag auf illegale Weise ihr Gras besorgen, könnte die Polizei auch mit der doppelten Zahl der Beamten nicht eindämmen. Sie kann die Hobby-Anbauer nicht kontrollieren, nicht die Schmuggler, die Zwischenhändler oder die Dealer. Ja, der Staat ist nicht mal den Internet-Händlern gewachsen, die Kräuter mit künstlichen Cannabinoiden mischen und völlig legal mit dem augenzwinkernden Hinweis verkaufen: "Bloß nicht rauchen!"

Auch als Einstiegsdroge kann Gras allenfalls gelten, weil der Kiffer durch den Dealer in Kontakt zu harten Drogen kommt. So sehen das viele Polizisten, und manch einer fragt sich, ob sich sein Einsatz überhaupt lohnt. Eine Gruppe von 122 Strafrechtlern stellte jüngst (nüchtern) fest, dass sich die strafrechtliche Bekämpfung von Drogen als grandioser Flop erwiesen hat, weltweit. Der Kampf gegen Cannabis ist zudem ausgesprochen teuer. Je nach Schätzung eine halbe Milliarde Euro im Jahr oder mehr.

"Kiffen für Schäuble" kann nicht das Ziel sein

Geld, das im Endeffekt nur dazu dient, den Preis des verbotenen Produkts in die Höhe zu schrauben und die Gewinnmarge der Händler zu steigern. Denn die lassen sich ihr strafrechtliches Risiko gut bezahlen. Mit dem Cannabis-Verbot in Deutschland ist es wie mit der Prohibition der 20er-Jahre in den USA: Die Leute konsumieren trotzdem, und es profitiert vor allem das organisierte Verbrechen.

Damals wie heute ist eine Legalisierung der richtige Weg. Cannabis sollte für Erwachsene, nicht aber für Jugendliche frei erhältlich sein. Wer es vertreiben möchte, muss dafür eine Konzession beantragen und steht unter besonderer Aufsicht. Das Gras selbst sollte man mit einer Gras-Steuer belegen, die bis zu 200 Prozent des Produktwertes betragen kann. Don't walk on the gras, tax it, um einen Hippie-Spruch zu variieren. Das dürfte dem Staat geschätzte drei Milliarden Euro einbringen. "Kiffen für Schäuble", kann das Ziel aber nicht sein. Statt in den Haushalt zu fließen, sollte das Geld für Drogenaufklärung und -therapie eingesetzt werden. Nicht nur für die Opfer von Cannabis-Konsum, sondern auch für Trinker und andere Rauschgiftkranke.

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SZ vom 03.01.2015
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