Süddeutsche Zeitung

Gerichtsentscheidung:Doch vorerst kein Flächen-Dieselfahrverbot in Köln

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Von Benedikt Müller, Münster

In Köln sollen Diesel-Fahrverbote künftig vorerst nur für einzelne Straßen gelten. Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am Donnerstag. Im November hatte das Verwaltungsgericht Köln noch ein Fahrverbot für die komplette Kölner Umweltzone vorgeschrieben, also weite Teile der Stadt. Köln und das Land NRW hatten dagegen Berufung eingelegt.

Schon seit 2010 gilt in der Europäischen Union ein Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft - im Durchschnitt eines jeden Kalenderjahres. Höhere Konzentrationen können zu Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. Köln überschreitet diesen Grenzwert seit Jahren an gleich mehreren Messstationen.

Das Gericht entschied nun, dass die Stadt Köln deshalb ihren Luftreinhalteplan unverzüglich überarbeiten muss, um Überschreitungen im Stadtgebiet "so kurz wie möglich" zu halten. Die Version von April 2019 genüge diesen Anforderungen nicht und sei daher rechtswidrig. "Nach derzeitigem Stand müssen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5/V und älter in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden", sagte der Vorsitzende Richter Max-Jürgen Seibert, damit die Grenzwerte an vier wichtigen Straßen schneller eingehalten werden können.

Es geht dabei um den Neumarkt, einen Verkehrsknotenpunkt mitten in der Stadt, und um drei wichtige Ausfallstraßen: die Luxemburger Straße im Westen sowie der Justinianstraße und dem Clevischen Ring auf der anderen Rheinseite. Letztgenannte Stelle kam im vergangenen Jahr auf eine Durchschnittskonzentration von 59 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter.

Amtlichen Prognosen zufolge werden die Grenzwerte an allen vier Messstationen erst in drei bis vier Jahren eingehalten. Das sei ein sehr langer Zeitraum, sagte Richter Seibert. Und mit manchen Prognosen habe man "große Schwierigkeiten", da sie von vielen Faktoren und Prämissen ausgehen. Freilich müsse man klären, wie sich der Verkehr nach der Einführung von Streckensperren für ältere Dieselautos verlagern würde. "Sollten durch den Ausweichverkehr Grenzwerte in anderen Straßen überschritten werden, kann dies Fahrverbote für weitere Straßen erforderlich machen", sagte Seibert. Außerdem müsse die Stadt klären, ob es Ausnahmen zum Beispiel für Handwerker oder Lieferanten geben müsse. Das Gericht ließ eine Revision zu, sollten Land und Stadt davon Gebrauch machen, hätte das aufschiebende Wirkung.

Ausgangspunkt des Streits war eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Köln müsse den Luftreinhalteplan derart verändern, dass die Stadt den NO2-Grenzwert künftig einhalte, fordert die Organisation. Sie führt bundesweit Klagen gegen 36 Städte, deren Luft zu stark verschmutzt ist. Das erstinstanzliche Urteil in Köln war ein Erfolg für die DUH: Fahrverbote für ältere Dieselautos seien "angemessen, geeignet und verhältnismäßig", hatten die Richter entschieden.

Die Stadt versuchte, Fahrverbote mit anderen Maßnahmen abzuwenden

Mittlerweile gilt in der Kölner Innenstadt ein Durchfahrverbot für Lastwagen, die mehr als 7,5 Tonnen wiegen. Zudem rüsten die städtischen Verkehrsbetriebe ihre Dieselbusse nach. "Die Stickstoffdioxidbelastung ist gerade in den letzten Monaten deutlich gesunken", sagte Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser, "teils sogar mehr als erwartet." Die CDU-Politikerin hat Besitzer von Euro-5-Dieselautos erst kürzlich ermuntert, ihre Fahrzeuge nachrüsten zu lassen. Dies hätte "einen ähnlich mindernden Effekt wie Fahrverbote, wäre aber ohne Zweifel verhältnismäßiger", so Heinen-Esser. Zuvor hatte das Kraftfahrtbundesamt erste Nachrüstsysteme bundesweit zugelassen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2018 entschieden, dass Fahrverbote für ältere Dieselautos grundsätzlich zulässig sind, sofern sie "verhältnismäßig" seien. Bereits jetzt gelten entsprechende Sperren in Stuttgart sowie auf ersten Straßen in Hamburg und Darmstadt.

In jedem Fall müssten die Behörden betroffenen Autobesitzern eine Übergangszeit einräumen, konkretisierte Richter Seibert den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: "Es geht darum, dass man eine Reaktionszeit hat." Bei einem weitflächigen Zonen-Fahrverbot sollten dies höchstens zwei bis drei Monate sein; im Falle von Streckensperren sei die Übergangszeit allerdings "ganz gering", sagte Seibert, "vielleicht sogar gegen Null."

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