Süddeutsche Zeitung

DGB:So viele Wünsche

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Der Gewerkschaftsbund verlangt mehr, als der Arbeitsminister derzeit plant. Das Thema Rückkehrrecht in Vollzeit für Teilzeitbeschäftigte ist noch nicht durch, da kommt schon das nächste aufs Tapet - der soziale Arbeitsmarkt.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ringt derzeit noch mit der Union um sein erstes Ministerprojekt, das Rückkehrrecht in Vollzeit für Teilzeitbeschäftigte. Derweil hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schon mal seine Forderungen für das nächste arbeitsmarktpolitische Großprojekt Heils formuliert - den sozialen Arbeitsmarkt. Und während der Arbeitsminister bei der "Brückenteilzeit" in erster Linie mit Union und Arbeitgebern streitet, zeigt sich beim sozialen Arbeitsmarkt, dass auch die Gewerkschaften teilweise andere Vorstellungen haben als er.

Auch beim sozialen Arbeitsmarkt drängt die Zeit, wenn es wie versprochen Anfang 2019 losgehen soll mit den geförderten Stellen für 150 000 Langzeitarbeitslose. Zuletzt hatte Heil angekündigt, einen Entwurf vor der Sommerpause vorzulegen. Noch ist wenig Konkretes bekannt, was über den Koalitionsvertrag hinaus ginge. Der DGB aber fordert mehr als das, was Union und SPD dort vereinbart haben. Notwendig seien "deutlich mehr" als 150 000 geförderte Arbeitsplätze, heißt es im Beschluss des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands. Gefördert werden sollten demnach zudem nur Jobs zu Tariflöhnen. "Es sollen nur Arbeitsplätze gefördert werden, die dem normalen Arbeitsrecht entsprechen, tariflich entlohnt und sozialversichert sind", sagte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Im Koalitionsvertrag jedoch heißt es, die Lohnzuschüsse würden sich am Mindestlohn orientieren.

Die Gewerkschaften verlangen auch "eine grundlegende Neugestaltung des Hartz-IV-Systems". Die Regelsätze müssten "neu ermittelt und bedarfsdeckend erhöht werden". Die Jobcenter wiederum, die für die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen zuständig sind, dürften nicht länger "Prekarisierungsmotor" sein und "auf schnelle Vermittlung auch in prekäre und niedrig entlohnte Arbeit" drängen. Abgeschafft gehören deshalb aus DGB-Sicht auch die "bestehenden, existenzbedrohenden Sanktionen", etwa wenn Hartz-IV-Empfänger Termine versäumen oder Jobangebote nicht annehmen.

Minister Heil hatte zuletzt betont, an den Sanktionen im Großen und Ganzen festhalten zu wollen. "Klar ist, dass es Mitwirkungspflichten und Sanktionen geben muss", sagte er vergangene Woche bei einer Veranstaltung des Handwerks in Berlin; lediglich über die Ausgestaltung bestimmter Sanktionen will er reden. "Ich finde Fördern und Fordern richtig", sagte er.

Jenseits der grundsätzlichen Hartz-IV-Debatte macht der DGB auch Vorschläge, wie die Teilnehmer für den sozialen Arbeitsmarkt ausgesucht werden könnten. Für sich selbst verlangt die Gewerkschaftsorganisation dabei selbstbewusst umfassende Mitentscheidungsrechte: Damit reguläre Stellen nicht unter Druck geraten durch geförderte Arbeitsplätze, will der DGB "verbriefte Beteiligungsrechte der Sozialpartner". In jedem Jobcenter müsse ein spezieller Förderausschuss eingerichtet werden, paritätisch besetzt mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern. Dieser Ausschuss solle dann "im Vorfeld neu beginnender Fördermaßnahmen über Einsatzfelder und Tätigkeitsbereiche" entscheiden und auch "Prüfungen veranlassen", wie gut es läuft mit den Maßnahmen.

"Öffentlich geförderte Arbeitsplätze sollen bestehende nicht verdrängen", begründete Buntenbach den Vorstoß. "Erfahrungsgemäß kennen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen vor Ort den regionalen Arbeitsmarkt gut und können beurteilen, in welchen Einsatzfeldern öffentlich geförderte Beschäftigung unschädlich für den regionalen Arbeitsmarkt ist und einen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger darstellt." Deshalb sollten sie auch darüber entscheiden, was gefördert wird.

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SZ vom 22.05.2018
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