Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Wer künftig für alle Privatkunden verantwortlich ist

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Von Meike Schreiber, Frankfurt

Als Christian Sewing auf einmal groß eingeblendet wird auf dem riesigen Bildschirm in der Festhalle in Frankfurt, in der die Deutsche Bank ihre Hauptversammlung abhält, schaut er für einen Moment verlegen. Kein Wunder, denn der 45jährige Banker - jungenhafte Erscheinung, trendige Brille - ist Öffentlichkeit bisher wenig gewohnt.

Dies könnte sich bald ändern, denn zum 1. Juli übernimmt Sewing, der erst seit Jahresanfang Rechtsvorstand ist, überraschend das Geschäft mit Privat- und Firmenkunden. Er folgt auf Rainer Neske, der das Kreditinstitut im Streit über die Strategie nach 25 Jahren verlässt. Viele sagen, Sewing gehöre damit ab sofort zur Reserve für den Chefposten der Deutschen Bank, wenn die Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen eines Tages nicht mehr zu halten sein sollten oder die Verträge auslaufen.

Die nächste Zeit wird Sewing daher zeigen, was er kann. Doch gerade das unglamouröse Massenkundengeschäft war im Konzern zuletzt höchstens gefragt, wenn es darum ging, die Spareinlagen für die Refinanzierung der Großkunden und des Investmentbankings zu verwenden. In den vergangenen Wochen erwog die Bankführung sogar, das Privatkundengeschäft und die Postbank komplett abzuspalten.

Jetzt, da die Sparte im Konzern verbleibt und nur die Postbank abgespalten wird, sind die Erwartungen umso größer. Es geht nicht nur darum, die Kulturunterschiede zwischen Filialmitarbeitern und Investmentbankern zu überwinden, sondern auch zu beweisen, dass die Bank in Deutschland doch noch verankert ist. Und natürlich geht es darum, die neue Strategie umzusetzen, 200 Filialen zu schließen, Tausende Stellen zu streichen, gleichzeitig aber die Digitalisierung voran zu treiben.

Wer ist dieser Mann?

Aufsichtsratschef Paul Achleitner deutete daher an, dass Sewing das Rechtsressort abgeben wird, ist es doch kaum vorstellbar, dass dieser Visionen für das Privatkundengeschäft entwickelt und sich zeitgleich um die unzähligen Rechtsstreitigkeiten kümmert. "Das Privatkundengeschäft an allen Schnittstellen zum Kunden neu aufzustellen, ist eine gigantische Herausforderung, erst recht für jemanden, der zuvor für Recht zuständig war", sagt Personalberater Andreas Halin von Globalmind.

Doch wer ist Christian Sewing? Über ihn persönlich ist wenig bekannt, nur, dass er 1989 eine Banklehre bei der Deutschen Bank in Bielefeld absolvierte und dem Haus bis auf eine kurze Unterbrechung treu blieb. Es folgten Stationen in Hamburg, Toronto, Tokio und London, wo Jain seine Machtbasis hat. Jahrelang arbeitete Sewing an der Seite von Risikochef Hugo Bänziger, der das Haus 2012 verließ. In den letzten Jahren kam Sewing weiter nach oben, er wurde Vize-Risikochef, Aufsichtsrat bei der Postbank und Anfang Januar Rechtsvorstand. Mit dem Privatkundengeschäft kam er 2013 als Mitglied des erweiterten Führungszirkels in Berührung.

Klar ist, dass er sich für seine neue Aufgabe der vollen Rückendeckung von Aufsichtsratschef Achleitner sicher sein kann. Abgesehen von Neske war Sewing der einzige Vorstand, zu dem sich Achleitner in der Pressemitteilung von Mittwochnacht äußerte: Er sei der Richtige, um diesen für die Bank so wichtigen Kernbereich in eine neue Wachstumsphase zu führen. Womöglich nicht nur das.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2015
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