Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Jetzt zeigt sich, wer der wahre Boss ist

Lesezeit: 3 min

Von Andrea Rexer und Jan Willmroth, Frankfurt

Selbst Schnee und Eis können Paul Achleitner nicht bremsen. Schnellen Schrittes eilte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos Ende Januar zu Fuß durch das ganze Dorf, der Fahrdienst war ihm angesichts der Staus auf den Straßen zu langsam. Genauso wie andere Passanten, die er geschwind links und rechts überholte. Geduld ist nicht die Stärke des Aufsichtsratschefs der Deutschen Bank.

Das zeigt sich auch bei der aktuellen Führungsdebatte. Die Deutsche Bank steckt noch mitten in der Sanierung, drei Jahre in Folge fuhr die Bank Verluste ein. Und vergangene Woche musste Vorstandschef John Cryan schon wieder eine Gewinnwarnung erläutern. Der Aktienkurs ist seit Jahresbeginn um knapp 30 Prozent gesunken. Als wären das nicht schon genug Probleme, stößt Paul Achleitner nun auch noch eine Personaldebatte an. Der Chefaufseher des Instituts hat ganz offenbar die Geduld verloren und sucht nach einem Ersatz für den Vorstandschef, dessen Vertrag eigentlich noch bis 2020 läuft.

Die Bank kommentiert die Informationen nicht. Dass die britische Zeitung The Times die Absage des Goldman-Sachs-Bankers Richard Gnodde öffentlich gemacht hat, bringt Achleitner unter Zugzwang. Will er nicht düpiert dastehen, muss er schnell einen Ersatz präsentieren. Und genau das dürfte nicht ganz leicht werden: Die Deutsche Bank gilt derzeit nicht gerade als Wunscharbeitgeber Nummer eins bei den besten Köpfen der Finanzbranche. Dazu ist der Ruf zu schlecht, die Probleme zu groß und das Gehalt im Branchenvergleich zu gering.

Im Moment sieht alles danach aus, als stünde Achleitner mit leeren Händen da. Zwar wird über einige Namen spekuliert, auf der Zielgeraden ist jedoch keiner davon. "Auch der Neue müsste mit einem Aufsichtsratschef Achleitner klarkommen", unkt einer aus der Branche. Denn Achleitner hat den Ruf, sich in Strategiefragen durchaus klarer zu positionieren als so manch anderer Aufsichtsratschef.

Cryan und Achleitner hatten nie ein besonders enges Verhältnis

Eine harte Debatte über die Strategie des Hauses soll auch der Auslöser für die beschleunigte Nachfolge-Suche gewesen sein, schreibt die Times. Konkret soll es um die Zukunft des Investmentbankings gegangen sein, das Cryan gern stärker stutzen will als Achleitner, der früher viele Jahre Chef der US-Investmentbank Goldman Sachs in Deutschland war. Bekannt ist, dass Cryan und Achleitner noch nie ein besonders enges Verhältnis hatten, und bekannt ist auch, dass die beiden immer wieder sachliche Diskussionen hatten. Beides ist für das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nicht ungewöhnlich - schließlich soll der eine ja den anderen kontrollieren.

Zu große Nähe ist einem professionellen Verhältnis eher abträglich. Diese Erfahrung hat Achleitner auch bereits gemacht. Als er 2012 seinen Job antrat, tat er das im Trio mit den beiden Co-Vorstandschefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain. Legendär die Szene, als sich die drei mitsamt Ehefrauen im Blitzlichtgewitter auf einem Empfang am Weltwirtschaftsforum präsentierten. "Das Triumvirat" wurden sie fortan genannt. Später, als sich die Rechtsstreitigkeiten auftürmten, wurde das freundschaftliche Verhältnis zwischen Jain und Achleitner zum Ballast. Dem Aufsichtsratschef wurde vorgeworfen, dass er zu lange an Jain festgehalten habe. Diesen Fehler will Achleitner ganz offensichtlich nicht noch einmal machen.

Anders als Jain und Fitschen jedoch ist Cryan von vornherein als temporärer Sanierer angetreten. Dass er nach einer begrenzten Zeitspanne von jemand anderem abgelöst wird, gilt in Finanzkreisen als selbstverständlich. Für manche Investoren ist es daher unverständlich, warum Achleitner nicht ein paar Monate länger warten wollte. "Mit einem neuen CEO würden die Probleme der Bank nicht einfach verschwinden", heißt es bei einem der zehn größten Aktionäre der Bank. Ähnlich äußern sich im Vertrauen auch Vertreter der Aufsichtsbehörden. Und sogar ein Vorstandsmitglied sagte jüngst: "Wer sollte das denn machen wollen? It's a shitty job. Niemand will sich diesen Job antun."

Hinzu kommt, dass die Führungsmannschaft - bis auf einen - komplett Achleitners Team ist. Er hat nicht nur Cryan verpflichtet, sondern auch die anderen Vorstandsmitglieder. Scheitert der Vorstand in dieser Zusammensetzung, wäre das auch sein Scheitern.

Cryan hat Probleme geerbt, die sich nicht so schnell lösen lassen

Aus Sicht der Investoren gibt es in der Diskussion um die Zukunft der Bank zwei Ebenen. Da sind - einerseits - die Schwierigkeiten im Geschäft: Am profitabelsten arbeitet inzwischen die Vermögensverwaltung DWS, die am vergangenen Freitag ihren Teil-Börsengang hinter sich brachte. Fast überall sonst sinken die Erträge, vor allem das Investmentbanking bietet Anlass zur Sorge. Der Anspruch, weltweit vorn mitzuspielen, ist zum Blütentraum geworden. Selbst im Heimatmarkt, wo die großen Transaktionen wie die Neuordnung von Eon und RWE oder die Übernahme von Monsanto durch Bayer ganz gut ohne die Deutsche Bank an federführender Position ablaufen. Zuletzt mehrten sich deshalb die Stimmen jener, die eine andere Strategie fordern und das Geschäftsmodell grundlegend infrage stellen.

Andererseits überwiegt unter den großen Investoren der Bank die Meinung, dass Cryan nicht besonders viel für diese Schwierigkeiten kann. Er hat einfach Probleme geerbt, die sich nicht binnen weniger Jahre lösen lassen. Es hapert also vor allem an der Umsetzung. Womöglich hatte IT-Chefin Kim Hammonds nicht ganz unrecht, als sie bei einer Führungskräftetagung vor drei Wochen die Bank als "dysfunktional" bezeichnete.

Interessant wird vor diesem Hintergrund die Hauptversammlung in zwei Monaten, am 24. Mai. Noch im vergangenen Jahr hatten Cryan und Achleitner die Gelegenheit genutzt, um einen öffentlichen Schulterschluss zu präsentieren. Die beiden posierten auf der Bühne für die Fotografen, so nah, dass die beiden sich berührten. Aber Achleitners Lächeln wirkte inszeniert, seine Anspannung war kaum zu übersehen. Das zumindest könnte in diesem Jahr ähnlich aussehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3923049
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.