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Deutsche Bank:Die Chefin spricht Klartext

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Kritik ist das größte deutsche Geldhaus inzwischen gewöhnt - aber dass diese aus der eigenen Vorstandsetage kommen? Die Äußerungen von IT- und Organisationsvorstand Kim Hammonds sorgen derzeit für Wirbel.

Von Andrea Rexer, München

Die Deutsche Bank ist ein Haus, in dem Legenden gepflegt werden. Nicht alle entsprechen der Realität, aber alle sagen etwas über das größte Geldhaus des Landes aus. Die Legende über IT- und Organisationsvorstand Kim Hammonds geht so: In ihrem Elan, die Organisation der überbordend komplexen Bank zu vereinfachen, setzte Hammonds in den ersten Wochen nach ihrem Amtsantritt 2016 zunächst bei den ganz simplen Dingen an: Tee und Kaffee. Sie fand es nicht notwendig, dass der Aufsichtsrat bei seinen Sitzungen die Getränke von Kellern serviert bekam und strich kurzerhand diese vermeintlich unnötige Dienstleistung. Die Folge: Aufsichtsratschef Paul Achleitner saß bei den stundenlangen Meetings ohne seine gewohnte Kanne grünen Tee am Tisch. Seine wörtliche Reaktion ist nicht überliefert, vielleicht, weil sie sich jeder selbst ausmalen kann. "Die wird nicht lang bei uns bleiben", unkten jedenfalls all jene, die diese Geschichte weiterreichten.

Tatsächlich aber ist Hammonds zwei Jahre später noch immer im Vorstand. Und das obwohl die Anekdoten über ihre Durchsetzungsstärke und ihre Neigung zu klaren Worten nie abgerissen ist. Die jüngste: Vor drei Wochen beschrieb Hammonds ihren Arbeitgeber bei einer Führungskräftetagung in der Nähe von Frankfurt vor 150 Mitarbeitern als das "unfähigste Unternehmen", das sie je gesehen habe. (Wörtlich sagte sie: "the most dysfunctional company"). Wer auch nur ab und zu mit Mitarbeitern des Geldhauses spricht, den wird die Aussage inhaltlich nicht sehr überraschen. Es ist bekannt, dass die Deutsche Bank knietief in Problemen steckt. Allein in der vergangenen Woche sackte der Aktienkurs um mehr als zehn Prozent ab. Die Investoren sind unzufrieden mit der Leistung des Vorstands. Unmut ist also verständlich. Allerdings: Es ist etwas völlig anderes, ob sich ein Mitarbeiter aus der Poststelle über die Zustände im Haus beklagt, oder ob das ein Vorstandsmitglied tut. Denn ein Vorstand hat schließlich erheblichen Gestaltungsspielraum, um Missstände zu beheben - mehr noch, es ist seine vordringlichste Aufgabe.

Das ist auch Hammonds selbst klar und so gab sie dem Handelsblatt übers Wochenende geschwind ein klärendes Interview, in dem sie den fraglichen Satz weder bestätigte noch dementierte, jedenfalls aber in einen positiveren Kontext setzte: Die Deutsche Bank sei komplexer als jedes andere Unternehmen, für das sie bisher gearbeitet habe (Hammonds war bei Boeing, Dell und Ford beschäftigt). "Diese Komplexität verringern wir seit nunmehr drei Jahren - wir kommen dabei gut voran, aber es muss schneller gehen", sagte Hammonds. Man darf das wohl als die Übersetzung des eigenen Zitats ins Höfliche verstehen.

Für Hammonds geht es in den nächsten Wochen ums Eingemachte: Ihr Vertrag läuft noch bis Frühjahr 2019 - ein Jahr zuvor wird die Verlängerung verhandelt. Die Gespräche werden vor der Hauptversammlung abgeschlossen. Schon wird öffentlich spekuliert, ob sie "ihrer Aufgabe gewachsen" sei. Dass diese Frage gestellt würde, war schon klar, bevor Hammonds ihren Job überhaupt antrat - und das hat weniger mit ihren Kompetenzen zu tun, als vielmehr mit dem Zustand der IT der Deutschen Bank. Denn das, was ihr von Vorgänger Hermann-Josef Lamberti hinterlassen wurde, ist gelinde gesagt "lausig". So beschrieb bereits Vorstandschef John Cryan die Computersysteme und wählte damit höfliche Worte für das komplett veraltete IT-Wirrwarr. "Vorn reden die von einer schönen Benutzeroberfläche und hinten laufen wir mit den Wäschekörben voller Papierformulare umher", beschreibt es ein Mitarbeiter aus der IT sarkastisch. Es bleibt also viel Arbeit für Hammonds - oder ihre Nachfolger.

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SZ vom 27.03.2018
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