Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bahn:Lange Reise zur Normalität

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Die Pandemie beschert der Bahn einen Rekordverlust. Hoffnung hat sie erst wieder für 2022.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Es sind Rekordmonate für die Deutsche Bahn gewesen, allerdings im schlechtesten Sinne: Die Corona-Krise und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens haben dem Konzern den größten Verlust seiner Geschichte beschert - und das schon zur Jahreshälfte. Am Donnerstag verkündete die Bahn ein Minus nach Steuern von 3,7 Milliarden Euro, inklusive einer 1,4 Milliarden Euro schweren Sonderabschreibung auf die Auslandstochter Arriva, die von der Krise besonders schwer getroffen ist. Bahnchef Richard Lutz sagte, das Virus habe sie in die "schlimmste finanzielle Krise seit ihrem Bestehen" gestürzt. Der Umsatz brach um fast zwölf Prozent auf 19,4 Milliarden Euro ein.

Finanzvorstand Levin Holle bezifferte allein den Verlust aus dem regulären Betrieb auf 1,8 Milliarden Euro vor Steuern und Zinsen. Für das ganze Jahr rechnet die Bahn damit, dass dieses Minus auf 3,5 Milliarden Euro wachsen wird. Der Schuldenstand von derzeit gut 27 Milliarden Euro soll bis zum Jahresende konstant bleiben, was aber nur mit der versprochenen Kapitalspritze des Bundes von fünf Milliarden Euro zu halten sein dürfte. Trotz allem will die Bahn keine Abstriche bei ihren geplanten Investitionen machen und weiterhin "auf Rekordniveau" einstellen.

Hinter den miesen Zahlen steckt der dramatische Rückgang der Fahrgäste in der Zeit der Kontakt- und Reisebeschränkungen. Allein im April lag der Einbruch im Fernverkehr bei 90 Prozent. Insgesamt waren in den ersten sechs Monaten des Jahres 41 Prozent weniger Reisende mit der Bahn unterwegs, in den Zügen wie auch in den von der Bahn betriebenen Bussen. "Was wir im Halbjahresabschluss besichtigen", sagte Holle bei der Vorstellung der Bilanz, "ist ausschließlich auf Corona zurückzuführen". In den Monaten vor der Epidemie, im Januar und Februar, sei die Bahn noch mit Fahrgastrekorden ins Jahr gestartet. Holle betonte zudem, dass die Daten von Mai bis Anfang Juli eine erste Erholung zeigten. Die Hälfte der normalerweise üblichen Fahrgäste sei zurückgekommen.

Auch auf Wunsch des Bundes, der Alleineigentümer der Bahn ist, hatte der Konzern selbst in den Wochen mit den stärksten Passagierrückgängen rund 90 Prozent ihrer Züge fahren lassen. Lutz verteidigte dieses Vorgehen am Donnerstag. Selbst wenn nur zehn bis 15 Prozent der normalerweise üblichen Reisenden mit der Bahn gefahren seien, habe es sich um mehr als eine Million Menschen gehandelt, die beispielsweise zur Arbeit fahren mussten. "Wir sind damit unserer gesellschaftlichen Verantwort gerecht geworden", sagte Lutz. "Wir würden das genau so wieder machen." Hinzu komme, dass es ohnehin keinen Sinn mache, den Betrieb stark herunterzufahren, weil die Bahn hohe Fixkosten habe. Dahinter steht der Gedanke, dass diese Fixkosten nicht sinken, nur weil weniger Züge fahren. Dass die Pandemie noch lange nicht vorbei ist, glaubt man auch im Bahntower. Mit etwas, "das den Namen normale Nachfrage trägt", rechneten sie erst Anfang 2022, sagte Lutz, wenn es einen Impfstoff oder ein Medikament gebe.

Der Bahnchef verteidigte derweil das Hygienekonzept des Konzerns. "Bahnfahren ist sicher, auch in Zeiten von Corona", sagte er und verwies unter anderem auf die Maskenpflicht im Zug und die Reinigung der Züge. Eine Reservierungspflicht, um volle Züge zu vermeiden, sei kein Thema. Schon jetzt würden Buchungen vermieden in Zügen mit mehr als 50 Prozent Auslastung, teilweise ließen sie Wagen aus der Reservierung heraus, damit die Zugbegleiter Passagiere ohne Reservierung an Bord besser verteilen können. Die Krankenstände seien derzeit niedriger als vor Corona, und es gebe nur wenige Infektionen bei den Beschäftigten. Auch erste Studien "mit bekannten Virologen" zeigten, das Bahnfahren sicher sei.

Inmitten all der tristen Zahlen hatte die Bahn am Donnerstag zumindest eine frohe Botschaft zu verkündigen: Im Fernverkehr waren im ersten Halbjahr 83,5 Prozent aller Züge pünktlich - der beste Wert seit zwölf Jahren.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2020
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