Süddeutsche Zeitung

Deal zwischen Athen und den Euro-Staaten:Unlösbare Aufgabe für Griechenland

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Der Deal mit Athen ist gesichtswahrend für die Regierung Tsipras und für die Euro-Staaten. Wer genau liest, sieht aber: Das Problem wird nur vertagt. Wiedervorlage: in zwei Monaten.

Von Cerstin Gammelin

Der Deal zwischen der Regierung von Premierminister Alexis Tsipras und den Euro-Staaten, zuvorderst Deutschland, zeichnet sich durch zweierlei aus. Er ist präsentabel, sowohl in Athen als auch in Berlin. Realistisch ist er allerdings nicht.

Die Wortakrobatik der schlussendlich unterschriebenen Vereinbarung erlaubt es sowohl den deutschen als auch den griechischen Unterhändlern, daheim zu argumentieren, man habe die eigenen Interessen durchgesetzt. Das ist enorm wichtig. Finanzminister Wolfgang Schäuble muss den Bundestag überzeugen, der Verlängerung zuzustimmen - wo er angesichts der Stimmung in der Union und in weiten Teilen der Bevölkerung keine Gewissheit haben wird. Auf der griechischen Seite muss Premierminister Tsipras seine Regierung zusammenhalten und eine Mehrheit im Parlament finden, die den weiteren Reformgesetzen zustimmt, zu denen sich Athen jetzt verpflichtet hat. Sonst gibt es keine weiteren Finanzhilfen.

Die griechischische Regierung jubelt laut, weil sie vermeintlich nur die Kreditvereinbarung, nicht aber das Programm verlängert hat. Die Troika und das memorandum of understanding, also das Spar- und Reformprogramm, werden nicht mehr erwähnt, und die Tsipras-Mannschaft darf nun selbst die Reformen bestimmen, die umgesetzt werden sollen. Außerdem sind noch Haushaltsvorgaben für 2015 gelockert.

Athen gewinnt nur Zeit für einen neuen Vertrag - mehr nicht

Schäuble kann praktisch das Gegenteil behaupten. Zwar kommt das Wort Troika nicht mehr vor, aber Athen hat zugestimmt, dass die drei unter dem Begriff zusammengefassten Institutionen - Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank und EU-Kommission - weiter die Bücher kontrollieren. Und, noch wichtiger: Wo jetzt Kreditprogramm draufsteht, steckt dennoch das gesamte Rettungsprogramm drin. In der mehr als sechzig Seiten umfassenden Kreditvereinbarung ist eindeutig festgelegt, dass das memorandum of understanding erst erfüllt werden muss, bevor Kredite fließen. Es gilt also weiter: erst Auflagen erfüllen, dann Geld auszahlen.

Dieser Grundsatz, der plausibel und im Sinne der Kreditgeber ist, wird aber unerfüllbar, wenn man den Zeitraum betrachtet, der dafür vereinbart wurde. Zwei lächerliche Monate, bis Ende April, hat Tsipras zugestanden bekommen, um die Reformen umzusetzen. Das hat der konservative Vorgänger Antonis Samaras in zehn Monaten, sozusagen bis zu seiner Abwahl, nicht geschafft. Die Programmauflagen sind in dieser Zeit aber nicht abzuarbeiten, die Aufgabe ist nicht zu erfüllen. Die Euro-Staaten haben Griechenland faktisch von den Krediten abgeschnitten.

Die Verabredung schafft also lediglich eine Interimslösung, um Griechenland kurzfristig vor der Pleite zu bewahren, die schon diese Woche hätte eintreten können, weil die Banken nicht mehr liquide waren. Damit ist Zeit gewonnen, um die Schuldentragfähigkeit ganz neu - und erfüllbar -zu verhandeln. Oder die Rettung aufzugeben.

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Quelle:
SZ vom 23.02.2015
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