Süddeutsche Zeitung

Cum-Ex:Vorwürfe gegen Börsen-Tochter

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Laut Durchsuchungs-Beschluss wurden Behörden womöglich falsch informiert.

Die Deutsche-Börse-Tochter Clearstream hat offenbar den Ermittlern gegenüber das wahre Ausmaß ihrer Rolle in Deutschlands größtem Steuerskandal verschwiegen. In einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Köln heißt es, Clearstream habe gegenüber den Behörden womöglich falsche Angaben zu ihrem Anteil bei Cum-Ex-Transaktionen gemacht. Mitarbeiter und Führungskräfte bei Clearstream seien "im Detail" darüber informiert gewesen, wie Cum-Ex-Deals organisiert wurden, heißt es in dem Dokument, aus dem die Finanzagentur Bloomberg zitiert. Clearstream-Beschäftigte hätten Transaktionen "aktiv unterstützt". Dabei sollen sie sich mit Kunden getroffen haben, um zu besprechen, wie Trades gehandhabt, gebucht und überprüft wurden.

Die Büros von Clearstream sind vor zwei Wochen von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden. Dabei ging es um die mögliche Verstrickung auch hochrangiger Manager. Der Durchsuchungsbeschluss deutet darauf hin, dass Cum-Ex-Transaktionen und die Rolle von Clearstream dabei nicht im Jahr 2012 endeten, als eine Gesetzesänderung der Praxis eigentlich einen Riegel vorschieben sollte. In modifizierter Form soll die Strategie noch bis mindestens 2016 verfolgt worden sein. Ein Sprecher der Deutschen Börse verwies auf Clearstream. Deren Sprecherin erklärte, die Durchsuchung sei Teil der Ermittlungen gegen Kunden und Mitarbeiter gewesen. Die Deutsche Börse kooperiere mit den Behörden. Der Durchsuchungsbeschluss fasst die derzeitigen Ermittlungsergebnisse der Kölner Staatsanwaltschaft zusammen. Das Dokument nennt mehr als 50 anhängige Verfahren und die Namen von Dutzenden involvierten Banken, Maklern, Fonds und Tradingunternehmen. Unter anderen wird ein Treffen mit Barclays in London im Februar 2007 erwähnt, bei dem Mitarbeiter die Cum-Ex-Strategie ausführlich diskutierten. Ebenfalls erwähnt wird E-Mail-Korrespondenz mit der Scotia Capital und mit der Santander-Tochter Cater Allen aus dem Jahr 2010. Thema: Leerverkäufe im Rahmen von Cum-Ex-Deals. Barclays, Santander und Scotia Capital, einer Tochter der Bank of Nova Scotia, lehnten eine Stellungnahme ebenso ab wie die Kölner Staatsanwaltschaft.

In Bonn findet derzeit der bundesweit erste Strafprozess wegen Cum-Ex-Geschäften statt. Die beiden Angeklagten, zwei ehemalige Aktienhändler, stehen seit Anfang September vor dem Bonner Landgericht. Das Geschäftsmodell der beiden sei "auf der betrügerischen Erlangung von Steuergeldern basiert" gewesen, sagte die Staatsanwältin bei der Verlesung der Anklageschrift. Es ist der erste Strafprozess gegen Cum-Ex-Akteure. Damit hat er große Bedeutung für die Aufarbeitung des Skandals. Erstmals könnte von einem Gericht festgestellt werden, dass Cum-Ex eine Straftat ist.

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SZ vom 13.09.2019 / Bloomberg/dpa
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