Süddeutsche Zeitung

Steuerskandal:Ex-Chef der Maple Bank steht zu seiner Verantwortung

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Wolfgang Schuck gehörte einst zu den bestbezahlten Bankern der Republik. Seit Montag steht er mit vier weiteren Ex-Kollegen wegen Cum-Ex-Geschäften vor Gericht.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Als Wolfgang Schuck noch keine Probleme mit der Staatsgewalt hatte, war er ein wohlhabendes Phantom. Wohnhaft im Taunus, reich geworden als Chef der vergleichsweise winzigen, auf Wertpapiergeschäfte spezialisierten Maple Bank. Heute ist er nach eigenen Angaben Rentner und in die Geschichte eingegangen als erster Ex-Bankchef, der wegen Cum-Ex-Geschäften in Deutschland in Untersuchungshaft saß. Er kam gegen Kaution und weitere Auflagen wieder frei, und seit Anfang 2020 hat er zu Hause auf diesen Montag gewartet: Schuck, weitere Ex-Geschäftsführer und frühere Wertpapierhändler der seit Jahren insolventen Maple Bank stehen vor Gericht wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Aktiendeals.

Jetzt sitzt Schuck vom Richter aus rechts, Plexiglas trennt ihn von seiner Verteidigerin Barbara Livonius, die an diesem Vormittag für ihn sprechen wird. "Herrn Schuck ist bewusst, dass durch die angeklagten Taten dem Staat ein erheblicher Schaden entstanden ist", liest sie vor. Er sehe heute ein, "dass es ein schwerwiegender Fehler war, dieses Geschäftsmodell zu betreiben." Er übernehme als früherer Geschäftsführer die Verantwortung für seine Entscheidungen. Dass es die Geschäfte zulasten der Steuerzahler gegeben hat und dass sie sehr wahrscheinlich strafbar waren, das lohnt sich auch nicht mehr zu bestreiten. Was aber jetzt noch den Unterschied macht ist die Frage nach der subjektiven Verantwortung: Hätte ein Bankvorstand wie Schuck wissen müssen, dass er sich mit den Geschäften womöglich strafbar machen würde? Wo doch alles juristisch abgesegnet war?

Fünf Angeklagte, neun Anwältinnen und Anwälte, eine voll besetzte 24. Strafkammer, ein beinahe ausgelasteter Saal 165C am Frankfurter Landgericht: Ursprünglich sollten es sogar acht Angeklagte werden, aber mehr geht unter Corona-Auflagen nicht. Nach ersten Verfahren am Landgericht Bonn beschäftigt sich nun erstmals ein Gericht in Frankfurt mit der Strafbarkeit von Cum-Ex-Geschäften. Die Ermittler der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und der Steuerfahndung haben dieses Verfahren von Beginn an kompromisslos geführt, mit öffentlichkeitswirksamen Razzien, mit der Verhaftung zweier Banker und eines bekannten Steueranwalts. Und ohne jedes Zugeständnis an Beschuldigte.

"Insgesamt entstand dem Fiskus allein im Tatzeitraum ein Schaden in Höhe von 388 557 251,30 Euro."

Zwei der wichtigsten Sätze in der Anklageschrift stehen gleich auf Seite 7. "Insgesamt entstand dem Fiskus allein im Tatzeitraum ein Schaden in Höhe von 388 557 251,30 Euro", so liest es Staatsanwalt Christopher Wenzl vor. Knapp 29,5 Millionen Euro Boni hätten die Angeklagten für die Geschäfte von 2006 bis 2009 "schätzungsweise mindestens" erhalten, auf Kosten der Steuerkasse.

Das Schema: Komplexe Wertpapiergeschäfte, mit denen sich die Maple Bank zuvor nicht gezahlte Kapitalertragsteuer anrechnen ließ. Weil dem stets ein Handel von Aktien mit und ohne Dividendenanspruch zugrunde lag, haben sich die lateinischen Begriffe cum und ex etabliert. Über den wahren Charakter der Cum-Ex-Geschäfte hätten die Beteiligten das Finanzamt dann - unterstützt von Steuerrechtlern der internationalen Großkanzlei Freshfields - "gezielt getäuscht", heißt es in der Anklage. Um sich am Ende mutmaßlich auch persönlich zu bereichern.

Freshfields habe das "Go" gegeben, heißt es

Nach den Anklagevertretern und Schucks Verteidigerin ist mit Alfred Dierlamm ein weiterer bekannter Wirtschaftsstrafverteidiger an der Reihe. Sein Mandant - einst leitender Händler - habe "umfassend zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen". 13 Mal sei er vernommen worden, habe frühzeitig erzählt, was er wisse - zu einer Zeit im Jahr 2017, als andere Beschuldigte noch alles abstritten. "Er wird seinen Weg hier weitergehen", sagt Dierlamm über seinen Mandanten.

Cum-Ex-Geschäfte, so wie sie in der Anklage formuliert sind, seien durch drei Dinge gekennzeichnet: Erstens seien es Kreisgeschäfte gewesen, "die in wesentlichen Punkten abgesprochen waren". Zweitens habe es sich um sogenannte Leerverkaufsgestaltungen gehandelt - an einer Stelle des Kreislaufs verkaufte also jemand Aktien, die er nur geliehen hatte oder noch nicht besaß. Und drittens: "Der Profit aus diesen Geschäften kam aus der Steuererstattung." Jeder professionelle Marktteilnehmer hätte diese drei Elemente gekannt und verstanden.

Damit zielt Dierlamm ab auf die anderen Angeklagten und auf die vielen Beschuldigten in anderen Verfahren, die sinngemäß angeben, sie seien getäuscht worden. Aber er meint auch jene, die zum Prozessauftakt fehlen: Das Verfahren gegen den früheren Freshfields-Steuerpartner Ulf Johannemann und das von dessen Ex-Kollegen der Kanzlei hat die Kammer abgetrennt. Die Namen der beiden werden dennoch häufig fallen während dieser absehbar langen Beweisaufnahme: Ohne ihre Gutachten und ihre steuerrechtliche Expertise, argumentiert Dierlamm, wäre der Fall Maple Bank nicht so passiert. Freshfields habe das "Go" gegeben. "Und ohne dieses Go hätten diese Geschäfte nicht stattgefunden."

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