Süddeutsche Zeitung

Treffen am Dienstag:Was die EU-Finanzminister gegen die Corona-Krise tun wollen

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Von Björn Finke, Brüssel

Die Ankündigungen vor der Videokonferenz waren vollmundig: Die Finanzminister der Staaten mit der Euro-Währung würden eine "neue Verteidigungslinie" gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie einziehen, sagte Mário Centeno, der als Chef der Eurogruppe die Ministertreffen leitet. Und EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni sprach von "neuen, außergewöhnlichen Instrumenten", etwa von gemeinschaftlich herausgegebenen Corona-Anleihen der Staaten.

Doch außergewöhnliche Beschlüsse blieben aus, als sich die Minister am Dienstagabend zusammenschalteten, um über die Krise zu diskutieren und die Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag vorzubereiten. Stattdessen wollen die Minister fürs erste bestehende Instrumente des Euro-Rettungsschirms ESM heranziehen, um klamme Länder zu unterstützen. Aufgabe des Europäischen Stabilitätsmechanismus ist es, Euro-Staaten mit Notkrediten beizuspringen, wenn diese Probleme haben, auf dem Finanzmarkt Käufer für ihre Anleihen zu finden.

Griechenland, Zypern, Portugal, Spanien und Irland profitierten bislang von diesem Rettungsschirm, dessen Chef der Deutsche Klaus Regling ist. Regling sagte nach der Konferenz, seine Luxemburger Finanzinstitution könne im Moment am besten mit sogenannten vorsorglichen Kreditlinien helfen. Die können alle Staaten in Anspruch nehmen, in Höhe von bis zu zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, und das auch, wenn sie keine Schwierigkeiten an den Finanzmärkten haben. ESM-Darlehen sind normalerweise mit Auflagen verknüpft, etwa für wirtschaftsfreundliche Reformen. Regling sagte aber, bei vorsorglichen Krediten in der Corona-Krise sei der Fokus der Bedingungen bloß, dass Regierungen die Mittel schnell für die Bekämpfung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Schäden einsetzten.

Geld genug ist da: Beim ESM sind im Moment 410 Milliarden Euro abrufbar, was 3,4 Prozent der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone entspricht. Und sollte das nicht reichen, könnten finanzstarke Euro-Staaten dem Rettungsfonds später mehr Kapital zur Verfügung stellen, sagen EU-Diplomaten in Brüssel. Eurogruppen-Chef Centeno sagte, es gebe für die Etablierung solcher Corona-Kreditlinien "breite Unterstützung unter den Mitgliedstaaten", allerdings sei noch Detailarbeit nötig.

Manchen Regierungen und Ökonomen reichen solche Schritte aber nicht; sie fordern außergewöhnliche Instrumente, wie es Währungskommissar Gentiloni formulierte.

So sprachen sich Italien, Spanien und Frankreich dafür aus, dass Coronabonds ausgegeben werden sollten, gemeinschaftliche europäische Staatsanleihen. Das eingenommene Geld soll gerade hoch verschuldeten Ländern wie Italien helfen, den Kampf gegen die Pandemie und die Rezession zu finanzieren. Weil auch finanzstarke Staaten wie Deutschland und die Niederlande hinter diesen gemeinsamen Anleihen stünden, würden Investoren sie als sichere Anlage ansehen.

Große Skepsis

Hätten Länder wie Italien und Griechenland Zugriff auf diese Kreditquelle, bräuchten sie nicht fürchten, wegen ihrer Schulden den Zugang zum Finanzmarkt zu verlieren. Spekulanten würden davon abgeschreckt, gegen die Länder oder den Fortbestand der Euro-Zone zu wetten. Eine Idee lautet, dass der Euro-Rettungsschirm ESM die Anleihen ausgibt.

Doch eine Einigung auf solche Bonds gilt als sehr schwierig. Kritiker des Konzepts wie die deutsche oder niederländische Regierung verweisen darauf, dass es zu lange dauern würde, die Verträge des ESM entsprechend zu ändern.

Diese Regierungen sehen Vorschläge seit jeher skeptisch, gemeinschaftliche Euro-Anleihen herauszugeben. Zudem wird in diesem Lager befürchtet, dass radikale Schritte die Finanzmärkte aufschrecken könnten; die Eskalation sei unnötig, weil bislang selbst Italien weiterhin Kredit zu günstigen Konditionen an den Finanzmärkten erhalte, heißt es.

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SZ vom 25.03.2020
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