Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Staat sichert Bürger in der Pandemie ab

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Die Regierung erspart den Deutschen 80 Prozent der Einkommensausfälle, die sie im Wirtschaftseinbruch sonst hätten. Das zeigt eine neue Untersuchung.

Von Alexander Hagelüken

Wirtschaftskrisen treffen die Menschen. Das zeigt sich im Großen, etwa durch Entlassungen. Und genauso im Kleinen: In der Finanzkrise 2008 zahlten britische Eltern ihren Kindern ein Drittel weniger Taschengeld. Daher erscheint es bemerkenswert, wie sehr die Bundesregierung die Einbußen durch die Corona-Krise abfedert. Die Regierung erspart den Deutschen 80 Prozent der Einkommensverluste, zu denen es sonst gekommen wäre. Das ergibt eine Studie des Ifo-Instituts mit dem Wissenschaftscenter der EU-Kommission. Sie zeigt auch, dass die Politik noch mehr tun sollte.

Durch die Corona-Pandemie brach die deutsche Wirtschaft so stark ein, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg nur einmal geschah: In der Finanzkrise 2008. Die Bundesbürger hätten durch die Corona-Krise 2020 eigentlich fünf Prozent weniger Bruttoeinkommen gehabt. Das wäre gerade für jene, die wenig verdienen, ein ziemlicher Einschnitt. Doch staatliche Maßnahmen haben diese Einbuße auf durchschnittlich 0,8 Prozent des Verdiensts begrenzt. Was für jeden Einzelnen bedeutsam ist. "Ein Verlust von 100 Euro Einkommen etwa aus Gehalt konnte in einen Verlust von 20 Euro an real verfügbarem Einkommen gemildert werden", sagt Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen.

Für einen Teil dieser Leistung ist das normale Steuer- und Sozialsystem verantwortlich. Wer weniger verdient, zahlt anteilig weniger Steuern. Wer seinen Job verliert, bekommt Arbeitslosengeld und später Hartz IV. In der Corona-Krise hat die Regierung jedoch noch viel mehr getan. So erleichterte sie es etwa für Selbständige, Grundsicherung/Hartz IV zu bekommen. Eltern erhielten einen Kinderbonus von 300 Euro. Alleinerziehende erfreuen sich vergangenes und dieses Jahr eines steuerlichen Entlastungsbetrags von 4000 Euro, doppelt so viel wie sonst.

Durch Kurzarbeit wurden mehr als zwei Millionen Jobs gerettet

Außerdem zahlte die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld. Dies ist zwar eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, für die Arbeitnehmer ja auch Beiträge entrichten. Aber die Regierung veranlasste, dass deutlich länger und mehr Kurzarbeitergeld gezahlt wird. Und weil viele Beschäftigte durch die Kurzarbeit ihren Job behielten, ging ihnen ihr Arbeitseinkommen nicht verloren. Nach einer Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und der Unis Kiel und Münster rettete die Regierung durch die Kurzarbeit mehr als zwei Millionen Jobs.

Insgesamt zieht Ifo-Forscher Andreas Peichl eine positive Bilanz des staatlichen Eingreifens in der Krise: "Es ist gelungen, den Anstieg von Einkommensungleichheit und das Armutsrisiko abzufedern." Seine neue Studie bestätigt erste Berechnungen aus 2020, die allerdings noch nicht den nächsten Lockdown im Herbst erfassten. Die ersten Berechnungen hatten gezeigt, dass das Nettoeinkommen jenes Fünftels der Bevölkerung, das am wenigsten verdient, in der Krise besonders gut geschützt wurde. Andere Forscher bestätigen die Befunde. "Der deutsche Sozialstaat funktioniert in der Pandemie gut, er sichert die Menschen", resümierte Bettina Kohlrausch vom gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut bereits Ende 2020.

Kohlrausch sieht aber noch Lücken, und die sieht auch Peichl. Einige staatliche Sondermaßnahmen wurden inzwischen verringert, liefen oder laufen aus. Daher blieben Einkommensschwächere negativ betroffen, solange die Pandemie nicht gestoppt ist. "Es erscheint erforderlich, weitere Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zum Ausgleich für Pandemie-Verlierer zu treffen", so Peichl.

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