Süddeutsche Zeitung

Home-Office:Wie die Corona-Krise die Arbeitswelt verändert

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Von Markus Balser

Wenn Deutschlands Chefs Sonntagsreden hielten, war das Home-Office schon länger zum Greifen nah. Flexible Arbeitszeiten, Familie und Beruf unter einem Dach - in der Theorie wurde die moderne Arbeitswelt gerne beschworen. In der Praxis spürten Beschäftigte davon allerdings oft wenig. Der Mitarbeiter nicht am Ende des Flurs, sondern im Wohnzimmer? Für viele Führungskräfte unvorstellbar. So blieb auch für Beschäftigte offen, ob Heimarbeit wirklich zufriedener macht.

Doch die Wissenslücke wird in diesen Tagen geschlossen. Die Corona-Epidemie führt in der Arbeitswelt zu einem nie dagewesenen Feldversuch. Manager und ihre Mitarbeiter haben im Eiltempo Büros geräumt und sich in eine neue Arbeitswelt katapultiert. Wie stark Skype, Zoom und Slack derzeit klassische Konferenzen ablösen, macht nun eine repräsentative Umfrage klar. Das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation fand bei einer Befragung von 1600 Beschäftigten heraus, dass der Anteil der Menschen im Home-Office schon in den ersten Wochen der Krise deutlich gestiegen und deren Zufriedenheit sehr groß ist.

Schon Ende März arbeiteten 43 Prozent der Befragten in Deutschland zumindest ab und zu im Home-Office, heißt es in der Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Vor der Krise galt das nur für 35 Prozent. Auch die Intensität stieg deutlich. Derzeit arbeiten 39 Prozent der Befragten mehrmals pro Woche von zu Hause aus. Vor der Krise waren es gerade mal 23 Prozent - und das auch nur mindestens einmal pro Woche. Die Zustimmung der Beschäftigten ist enorm. Nur 19 Prozent waren im Home-Office unzufrieden. Durchgeführt wurde die Befragung vom 27. bis zum 29. März.

Die Studie liefert auch Aufschluss darüber, warum viele Beschäftigte bisher selten von zu Hause arbeiteten. Circa 70 Prozent gaben an, Arbeitgeber seien technisch eigentlich gut auf die Heimarbeit vorbereitet, 40 Prozent aber erklärten, dass ihre Chefs das Arbeiten von zu Hause aus schlicht nicht erlaubt hätten. Geht es nach den Beschäftigten, sollte sich das auch langfristig ändern. Zwei Drittel hoffen, dass nach der Corona-Krise mehr Selbstorganisation möglich bleibt.

Das hoffen auch Wissenschaftler - und zwar zum Wohl der Unternehmen. Die Unternehmen sollten nach der Krise nicht zu den alten Organisationsmustern zurückkehren, fordert der Professor und Direktor des Münchner Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb, Dietmar Harhoff. Die Wirtschaft müsse die Bereitschaft aufgreifen, Deutschland hinke beim Home-Office im EU-Vergleich hinterher. Dabei sei Heimarbeit nicht nur eine Frage der Organisationskultur. Sie führe auch zu neuen Führungskonzepten und stärke Digitalisierung und Innovationsfähigkeit. Auch für den Forscher hat die Studie Augen geöffnet: Organisationen in Deutschland seien noch zu sehr auf die physische Präsenz der Beschäftigten fixiert, warnt Harhoff.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2020
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