Süddeutsche Zeitung

Commerzbank:Kredit auf Knopfdruck

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Die Commerzbank will neue Kunden im Internet ködern. Ein System wertet in Echtzeit Daten von Bestandskunden aus, um diesen neue Produkte anzubieten.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Es sind solche Sätze, die verdeutlichen, dass Banken bald anders funktionieren, als die Kunden sie einst kennengelernt haben. "Wir haben eine Maschine gebaut", sagt Anja Stolz, die in der zweitgrößten deutschen Privatbank das Kundenmanagement leitet. Die "Maschine" ist eine interne Datenbank, die weitgehend automatisch neue Kunden werben soll, eine Marketing-Maschine, die Interessenten passgenaue Produktwerbung schickt: Wer einmal sein Einverständnis gegeben hat, bekommt mehrfach Commerzbank-Werbung per Mail, für Ratenkredite, Baufinanzierungen oder Wertpapierdepots.

So kommt die Logik individueller Internet-Werbung mit einigen Jahren Verspätung bei den Banken an. "Wir wollen nicht mehr wie früher nach dem Gießkannen-Prinzip werben", sagt Stolz, "sondern sprechen gezielt Leute an, die zum Beispiel kurz davor sind, ein Haus zu bauen." 700 000 Menschen sind schon in der Datenbank, seit Jahresanfang hat die Bank mit ihrer Maschine etwa 33 000 Neukunden gewonnen. Die meisten eröffnen zunächst ein Konto - und ermöglichen es der Bank so, ihnen andere Produkte zu empfehlen.

Das geschieht mit einem System, das in Echtzeit Daten von Bestandskunden auswertet, um diesen neue Produkte anzubieten. Wer sich im Online-Banking einloggt, sieht also nur noch Werbung, die zu ihm passt. Wer künftig in die Filiale kommt, sitzt einem Berater gegenüber, der im System automatisch generierte Empfehlungen für den Kunden sieht. Seitdem das Programm aktiv ist, schließen Commerzbank-Kunden zehn Prozent mehr neue Produktverträge ab. Vor allem auf Ratenkredite hat es die Bank derzeit abgesehen: Bis 2020 will sie sechs Milliarden Euro im Jahr neu an Privatkunden verleihen. Dabei hilft ebenfalls eine neue Software-Plattform, mit der die Kunden schneller an ihren Kredit kommen sollen, derzeit noch in der Filiale, bald auch komplett online.

Die Commerzbank hat sich viel vorgenommen bis zum Ende des Jahrzehnts. Zwei Millionen neue Kunden will sie gewinnen, dabei mehr pro Kunde verdienen, und trotz all der Investitionen in Digitalisierung und den Umbau des Konzerns die Kosten stabil halten. Ein Effekt der digitalen Projekte ist deshalb wichtig: Je mehr Prozesse die Bank automatisiert, desto weniger Menschen muss sie beschäftigen, desto weniger Personal braucht sie in den Filialen. Bis Ende 2020 sollen 9 600 Vollzeitstellen wegfallen.

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Quelle:
SZ vom 20.04.2017
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