Süddeutsche Zeitung

Carlos Ghosn:"Opfer eines Komplotts"

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Von Christoph Neidhart

Carlos Ghosn, der gestürzte Chef von Renault-Nissan, der seit Donnerstag erneut in Untersuchungshaft sitzt, richtete sich am Dienstag in einer Video-Botschaft an die Öffentlichkeit. Er sei unschuldig, versichert er mit ruhiger, bestimmter Stimme auf Englisch. Einige Nissan-Manager seien ihm "in den Rücken gefallen, eine Verschwörung". Er sei "Opfer eines Komplotts".

Das siebeneinhalb Minuten dauernde Video, das Ghosns Verteidiger Junichiro Hironaka veröffentlichte, war vorigen Mittwoch aufgenommen worden, nachdem Ghosn eine Pressekonferenz angekündigt hatte. Für den Fall, dass diese verhindert werde, wolle er sich auf diesem Weg erklären, sagt der 65-Jährige zum Auftakt des Videos.

Anfang März hatte ein Tokioter Bezirksgericht Ghosn, der im November verhaftet worden war, trotz Protesten der Staatsanwaltschaft nach 108 Tagen Untersuchungshaft gegen Kaution freigelassen. Ghosn wird des schweren Vertrauensbruchs beschuldigt, der falschen Registrierung seiner Bezüge und der Unterschlagung. Allerdings liegen diese angeblichen Delikte größtenteils zehn Jahre zurück. Sein Anwalt Hironaka betont, die Ermittler hätten längst alle möglichen Beweise sichergestellt, es bestehe auch keine Fluchtgefahr. Er halte die Neuverhaftung für einen "Versuch, rechtswidrig Druck auf Ghosn auszuüben", zumal der neue Haftgrund, ein Geldfluss von Nissan nach Oman, längst bekannt gewesen sei.

Ghosns Ehefrau hat inzwischen das Land verlassen

Die Art, wie Spezialeinheiten Ghosn vorigen Donnerstag im Morgengrauen aus dem Bett holten, um ihn abzuführen, scheint Hironakas Vorwurf zu bekräftigen. Die Polizei konfiszierte auch den Reisepass von Ghosns Frau Carole und ihr Smartphone, obwohl gegen sie nicht ermittelt wird. Die Beamten hätten Frau Ghosn nicht einmal erlaubt, die Toilette zu benützen. Sie ist inzwischen nach Frankreich zurückgekehrt, der französische Botschafter brachte sie persönlich zum Flughafen. Ghosn betonte in seiner Video-Botschaft, er liebe Japan und habe Nissan zwanzig Jahre seines Lebens gewidmet. Angesichts der Krise, in der die Nummer Zwei von Japans Automobilindustrie derzeit stecke, mache er sich Sorgen um das Unternehmen. Nissan wurde schon vor Ghosns Verhaftung von Skandalen erschüttert, unter anderem wegen manipulierten Qualitätskontrollen. Das Unternehmen wirkt führungslos, seine Aktie hat seit November etwa 15 Prozent eingebüßt.

Im Video verwahrte sich Ghosn gegen den Vorwurf, Nissan diktatorisch geleitet zu haben. Er nannte seine Gegner namentlich, was sein Anwalt jedoch löschen ließ. Diese Leute hätten sich gegen die weitere Integration mit Renault wehren wollen, "weil sie um Nissans Autonomie fürchteten". Zusammenzusitzen und einstimmige Entscheidungen zu treffen, sei in einer derart umkämpften Branche wie der Autoindustrie jedoch nicht möglich. "Von Zeit zu Zeit braucht es Führung, und Führung bedeutet zu tun, was für das Unternehmen gut ist, nicht das, worauf sich alle einigen können. Das ist nicht Diktatur, das ist Leadership."

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Quelle:
SZ vom 10.04.2019
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