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Bundesanleihen:Milliarden gratis

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Deutschland begibt erstmals eine 30-jährige Staatsanleihe ohne Zins. Investoren stört das aber nicht, sie kaufen die Papiere trotzdem - und hoffen auf steigende Kurse. Inzwischen aber mehren sich die Warnungen vor einer Blase am Anleihenmarkt.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Der deutsche Staat kann sich an den Finanzmärkten schon lange zum Nulltarif verschulden. Bislang galt das für Kreditlaufzeiten von unter fünf bis hin zu zehn Jahren. Doch am Mittwoch startet die zuständige Finanzagentur ihren größten Coup: Erstmals in der Geschichte möchte das Bundesfinanzministerium Geld für 30 Jahre aufnehmen - und nichts dafür bezahlen. Es geht um eine Staatsanleihe mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro, die erst 2049 getilgt werden muss - bei null Prozent Zins.

Die Bundesregierung macht sich damit zunutze, was viele Sparer im Land aufregt: die Nullzinspolitik der EZB und ihre Konsequenz für die Anleihemärkte. Dort läuft es schon seit Jahren anders, als es in den ökonomischen Lehrbüchern erklärt wird. Investoren verleihen Geld, obwohl sie nichts verdienen. Bei deutschen Staatsanleihen legen sie sogar drauf. Ein Beispiel: Wer eine zehnjährige Bundesanleihe an der Börse kauft, erhält zum Ende der Laufzeit weniger Geld zurück als er gegeben hat - aktuell sieben Prozent der Gesamtsumme. Bei einer Milliarde Euro entspricht das einem Verlust von 70 Millionen Euro. Das führt freilich zu der Frage, warum Anleger so etwas tun.

Anleihen werden an den Finanzmärkten gehandelt, es bilden sich in diesem Spiel aus Angebot und Nachfrage jeden Tag neue Kurse. Die Nachfrage ist riesig, und Investoren bezahlen inzwischen Preise, die deutlich über dem Nennwert der Anleihe liegen. Bei einem Zins nahe Null führt das schnell zu einer negativen Rendite. Doch viele Pensionskassen und auch die Banken sind gesetzlich verpflichtet, sichere Staatsanleihen zu halten. Zugleich kauft auch die EZB viele Staatsschuldscheine. Weltweit weisen inzwischen Anleihen im Wert von 13 Billionen Dollar einen negativen Zins auf, zeigen Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Anfang des Monats purzelte erstmals auch die Rendite für eine 30-jährige Bundesanleihe unter die Nulllinie. Am Dienstag betrug das Minus, das ein Investor für diese Wertpapiere in Kauf nehmen würde, rund 0,19 Prozent. Doch die Investoren stört das nicht, denn sie spekulieren auf Kurssteigerungen: Sie möchten die Anleihen nicht bis zur Fälligkeit halten, sondern vorzeitig mit Gewinn verkaufen. Die Finanzmärkte erwarten, dass die Zentralbanken ihre Geldpolitik weiter lockern werden. Diese Maßnahme würde die Renditen noch stärker in den negativen Bereich drücken, was sich in starken Kurssteigerungen ausdrückt. Selbst in Spanien und Portugal liegen die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen unter 0,1 Prozent - vor sieben Jahren, als beide Staaten mit einer Schuldenkrise kämpften, waren es noch acht beziehungsweise 18 Prozent.

Doch es mehren sich Stimmen, die vor einer Blasenbildung an den Anleihemärkten warnen, vor allem weil selbst die Schuldscheine von finanzschwachen Unternehmen, sogenannte Junk-Bonds, kaum noch Zinsen abwerfen. Investoren werden für ihr Kreditrisiko nicht mehr entschädigt. Sobald sich die Konjunktur abschwächt, ist mit Kreditausfällen zu rechnen. Das könnte zu einer Panik an den Anleihemärkten führen.

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SZ vom 21.08.2019
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