Süddeutsche Zeitung

Griechenlands Wirtschaft:Was Schafe, Ziegen und Oliven hergeben

Lesezeit: 2 min

Von Michael Kuntz, Heraklion

Es ist das Land, in dem die Zitronen gedeihen. Und in dem es neuerdings viele Orangenplantagen gibt, für die die Europäische Union eine Anschubfinanzierung gezahlt hat. Außer Südfrüchten produziert die vorwiegend kleinteilige griechische Landwirtschaft, was Schafe und Ziegen, Weinbau und Olivenbäume hergeben. Zur gesamten Wirtschaftsleistung des Landes tragen die griechischen Bauern keine drei Prozent bei, zur Selbstversorgung von Familien, Freunden und Nachbarn hingegen viel.

Die Oliven etwa wurden jahrelang in großen Mengen an die Nachbarländer Italien und Spanien verkauft und landeten dort in Mixturen. Jetzt führt der Trend zu regionalen Produkten dazu, dass Griechenland die Oliven lieber selber verarbeitet und verkauft - es muss allerdings die Flaschen und Gläser für Olivenöl (und auch für Wein) zumeist importieren.

Was produziert das Land selbst? Die inländische Industrie stellt Pharma-Produkte her, Rohmaterial aus Aluminium und Stromgeneratoren. Die früher starke Textilindustrie produziert längst anderswo, in Nordafrika oder Asien. Die Industrie steuert 12,6 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei, weniger als der Tourismus mit 16,4 Prozent.

Andere EU-Länder locken viel mehr Touristen

In das Land am Mittelmeer fuhren voriges Jahr 25 Millionen Touristen. Doch so bedeutsam der Tourismus für Griechenland auch sein mag: Andere Länder in Europa locken weitaus mehr Reisende an. Frankreich, das beliebteste Reiseziel der Welt, zog zuletzt 85 Millionen Besucher an, auch Spanien (65 Millionen), Italien (49 Millionen), Türkei (40 Millionen), Deutschland (33 Millionen) oder Großbritannien (30 Millionen) sind beliebter. Die Krise könnte nun dazu führen, dass etliche Urlauber ihre Pläne ändern - weil ihnen Griechenland zu unsicher erscheint. Wer noch nicht gebucht hat, überlegt es sich jetzt ernsthaft, melden die Online-Reiseportale.

Allerdings haben sich die Griechen auch stark im Pauschaltourismus engagiert: Und da werden die meisten Buchungen von Januar bis April klar gemacht, dafür sorgen schon hohe Frühbucherrabatte. Seit Mai sind die Buchungen sogar noch einmal kräftig gestiegen, meldet der Deutsche Reiseverband. Das zeige, dass sich die Deutschen von Schlagzeilen zur Finanzkrise in Griechenland nicht irritieren lassen und das Ziel weiter schätzen.

Gerade in der Hochsaison sind die Griechen auf Gäste angewiesen

Aus Deutschland werden in diesem Jahr 2,5 Millionen Urlauber erwartet, sogar etwas mehr als im hervorragenden vorigen Jahr. Für die Bundesbürger rangiert Griechenland auf Platz 7 der beliebtesten Reiseziele, nach Spanien, Italien, Türkei, Österreich, Frankreich und Kroatien. Ein Vorteil: Griechenland hat viele Anhänger, die immer wieder kommen.

Es gibt aber auch kritische Stimmen, die meinen, dem Land würde es ohne den Pauschaltourismus besser gehen, da die Gewinne der Reiseveranstalter ins Ausland abfließen, während die Tavernen und Souvenirshops im Umfeld der Hotelanlagen mit oft mehreren Restaurants, Bars und Läden ein schwieriges Leben führen.

Gerade in der Hochsaison dieses Krisensommers sind die Griechen sehr auf ihre zahlenden ausländischen Gäste angewiesen. Denn anders als durch langfristige Industrie-Investitionen lässt sich die Wirtschaft mit der vorhandenen touristischen Infrastruktur vergleichsweise schnell wieder ankurbeln und die landesweite Arbeitslosigkeit von 25 Prozent senken. Der Manager eines der großen Ferienhotels in Griechenland findet es daher sehr ungünstig, "dass sich die Krise jetzt im Sommer zuspitzt".

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Quelle:
SZ vom 10.07.2015
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