Süddeutsche Zeitung

EU-Finanzpolitik:Allianz der Sparsamen

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Österreichs Finanzminister befürchtet eine Aufweichung des EU-Stabilitätspakts. Bei einem Treffen mit Amtskollegen wirbt er für ein Bündnis der Freunde harter Haushaltsregeln.

Von Björn Finke, Brüssel

Die Debatte soll erst im Herbst starten, aber die Lager formieren sich schon jetzt. Nach der Bundestagswahl will die EU-Kommission mit den Mitgliedstaaten über die Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspakts diskutieren. Diese Regeln für solide Haushaltsführung wurden wegen der Pandemie vor einem Jahr ausgesetzt, doch sie sollen 2023 wieder in Kraft treten. Österreichs Finanzminister Gernot Blümel befürchtet, dass die Kommission und einige Mitgliedstaaten den Pakt aufweichen wollen. Daher möchte der Politiker der christdemokratischen ÖVP eine Allianz mit anderen Finanzministern schmieden, die ebenfalls für harte Regeln eintreten. Am Donnerstag kamen Mitglieder dieser Gruppe am Rande der EU-Finanzministertagung in Luxemburg erstmals zusammen.

Blümel hatte diesen Vorschlag vergangene Woche per Brief um die zehn anderen Finanzministern unterbreitet. Wie es heißt, ging der Aufruf etwa an Skandinavier, Balten, die Niederländer und auch an Deutschland. Bundesfinanzminister Olaf Scholz antwortete zunächst nicht, allerdings hat der SPD-Politiker bereits mehrmals klargestellt, den Stabilitätspakt nicht grundlegend reformieren zu wollen. "Wir haben viele ganz positive Rückmeldungen auf den Brief bekommen", sagte Blümel am Donnerstag vor dem Treffen.

Bei der regulären Zusammenkunft aller 27 Minister ging es am Donnerstagabend um ein anderes Streitthema: die Bankenunion. Hinter dem Begriff verbirgt sich das Ziel, einen einheitlichen Markt für Bankgeschäfte in Europa zu schaffen. Der irische Minister Paschal Donohoe, der die Gruppe der 19 Euro-Finanzminister leitet, wollte bei dem Treffen ursprünglich einen ambitionierten Arbeitsplan verabschieden, wie die Regierungen hier Fortschritte machen möchten. Das Papier wollte Donohoe dann Ende kommender Woche den EU-Staats- und Regierungschefs präsentieren, wenn diese zu ihrem Gipfel in Brüssel zusammenkommen.

Aber die Verhandlungen über Streitpunkte bei der Bankenunion sind festgefahren: etwa über eine gemeinsame Einlagensicherung für Sparguthaben oder über die Frage, wie verhindert werden kann, dass Banken riskant viele Staatsanleihen ihrer Heimatregierung halten. Deswegen konnten sich die Minister nicht auf einen ehrgeizigen Fahrplan einigen. An diesem Freitag konferieren die Politiker weiter.

"Spare in der Zeit, dann hast du in der Not."

Reformvorschläge für den Stabilitätspakt finden sich jedoch nicht auf der Tagesordnung. Dass Minister Blümel trotzdem vorprescht, könne auch ein Ablenkungsmanöver für die Querelen in Wien sein, ätzt daher ein EU-Diplomat. Blümel und sein Chef, Kanzler Sebastian Kurz, stehen wegen peinlicher Chatprotokolle unter Druck, die bei Korruptionsuntersuchungen ans Licht kamen. Der Minister sagt allerdings, er reagiere mit der Allianz nur darauf, "dass einige Staaten schon jetzt die Stimmung aufbauen, dass es keinen Grund mehr gibt, die Staatsschuldenquote zu senken". Als Begründung würden die niedrigen Zinsen vorgebracht. So eine Politik wäre "fatal", denn Zinsen könnten wieder steigen.

Blümel nennt keine Namen, aber angesprochen dürfte sich unter anderem Frankreich fühlen. Paris fordert, der Stabilitätspakt müsse künftig berücksichtigen, dass die Schuldenstände nach der Pandemie deutlich höher sein werden. Das 1997 eingeführte Regelwerk setzt fest, dass die Staatsverschuldung maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen darf. Das hielten 2019 noch zehn der 19 Staaten mit der Euro-Währung ein, im kommenden Jahr werden es nach Schätzung der Kommission nur sieben sein. Wer zu viele Außenstände hat, muss diese schrittweise senken. Außerdem darf das jährliche Haushaltsdefizit drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Bei Verstößen leitet die Kommission Verfahren ein und kann sogar Bußgelder verhängen, was allerdings nie vorgekommen ist.

Der zuständige EU-Kommissar Paolo Gentiloni ist ebenfalls ein Freund von Lockerungen. Er regt etwa an, bei der Berechnung der Schulden staatliche Investitionen in grünes Wachstum nachsichtiger zu behandeln. Blümel hält nichts von dieser Idee. Der 39-Jährige betont aber, nicht prinzipiell gegen Veränderung zu sein - "der Pakt ist zum Beispiel zu kompliziert", sagt er. "Doch ich bin gegen eine Aufweichung." Die Regeln müssten auch in Zukunft Regierungen das Ziel vorgeben, die Staatsverschuldung in guten Zeiten zu senken: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." Wer weniger Schulden habe, verfüge in Krisen über mehr Spielraum: "So zu tun, als werde es keine Krisen mehr geben, ist absurd."

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