Süddeutsche Zeitung

Bei uns in Hamburg:Super Sommer, super Stress

Lesezeit: 2 min

Die Sache mit dem Sommer ist kompliziert in Hamburg. Ist das Wetter schlecht, nerven einen die Berliner mit ihren angeberischen Beachclub-Geschichten. Ist das Wetter gut, wird alles noch viel schlimmer.

Von Angelika Slavik

Mit dem Sommer ist es in Hamburg so eine Sache. Oft läuft es ja nicht so gut, es hat 15 Grad, es regnet, und irgendwelche Leute aus Berlin berichten einem dauernd, wie suhuuuper dufte sie in ihrer Beachbar abhängen. Das ist natürlich nervig, weil man alle Sprüche über ihren peinlichen Flughafen schon mal platziert hat, es gibt also keinen guten Konter mehr. Man kann nur seine Niederlage einräumen, betreten schweigen und sich zum Trost einen dieser windstabilen Superfaltregenschirme aus Titan kaufen. Dann muss man warten, bis es November wird. Im November werden die Leute aus Berlin jammern, dass sie nassgeregnet werden. Also wird man beiläufig so was sagen wie: "Ach, habt ihr alle noch diese alten Schirme?", und von seinem Hightech-Superschirm erzählen. Sehr, sehr ausführlich. Am Ende wird man sagen: "Aber das braucht ihr natürlich wirklich nicht. Ihr tragt ja alle diese, Dings ... Kapuzenpullover." Währenddessen würde man gedankenverloren die Goldknöpfe am dunkelblauen Doppelreiher polieren, bevor man in die Hamburger Nacht stolzierte. Man wäre sehr cool und souverän dabei, hervorragend. Leider ist halt noch nicht November.

Wenn es mit dem Sommer gut läuft in Hamburg, ist die Lage noch schlimmer. Es hat dann 31 Grad noch abends um neun, man könnte den Leuten in Berlin ständig unter die Nase reiben, dass man immer noch draußen sitze, "bei uns ist es ja viel länger hell als bei euch!". Man könnte sogar noch einen Flughafenscherz unterbringen, denn man wäre wahnsinnig witzig und wahnsinnig gebräunt. Leider hat man dafür keine Zeit, denn ein guter Sommer in Hamburg führt zu schlimmer gesellschaftlicher Spaltung. Während also all jene, die irgendwo anders geboren sind, jedes Grad mehr auf dem Thermometer euphorisch bejubeln, sinkt die Laune der gebürtigen Hamburger indirekt proportional zur Außentemperatur. Es sei ja viel zu heiß, sagen sie dann. Unerträglich sei das. Es müsse wirklich mal dringend ein bisschen Abkühlung her. Allein das Wort Abkühlung lässt aber den Sommerbefürwortern, mit Verlaub, das Blut in den Adern gefrieren. Sie packen also all ihre Anekdoten über traumatisierende Hamburger Sommer aus, Geschichten von Daunenjacken im August und unbenutzten Sonnencremeflaschen, und von all den Berlinern, die sie immer aufgezogen haben, schlimm.

Bis sie damit fertig sind, kann es dauern, dann hat sich die Hamburger Hitze natürlich längst wieder verzogen. Es gibt Abkühlung. Die Sommerfans ziehen sich ein Mäntelchen über und wissen genau, wer's verschrien hat.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4580305
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.