Süddeutsche Zeitung

Baywa: Millionenbuße:Bayerische Rabattbetrüger

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Der Konzern Baywa muss wegen Betrugs eine Million Euro zahlen - er hatte selbständigen Agrarhändlern jahrelang Herstellerrabatte unterschlagen.

Uwe Ritzer

Der jahrelange Betrug von Konzessionsnehmern in Deutschland und Österreich kommt dIe Baywa AG teuer zu stehen. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat gegen den im Agrar-, Baustoff- und Mineralölhandel tätigen Mischkonzern eine Geldbuße von 950.000 Euro verhängt. Gegen den früheren Vorstandschef Wolfgang Deml wurden die Ermittlungen gegen die Zahlung einer Geldauflage von 50.000 Euro eingestellt.

Zuvor hatte das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits 23 selbständigen Betreibern von Baywa Bau- und Gartenmärkten insgesamt 6,6 Millionen Euro erstattet, die sie ihnen teilweise jahrelang vorenthalten hatte.

Dabei handelte es sich um Sonderrabatte und Boni, welche die Konzernzentrale heimlich mit Herstellern wie Black&Decker, Hornitex, Brillaint oder Gardena aushandelt hatte. "Diese Sonderkonditionen hätten entsprechend den bestehenden Verträgen mit den Konzessionsnehmern vollständig an diese weitergegeben werden müssen", sagte Oberstaatsanwalt Anton Winkler der Süddeutschen Zeitung.

Stattdessen landete das Geld jedoch in der Kasse des Konzerns und besserte dessen Bilanz auf. Zwischen 1991 und 2001 seien auf diese Weise allein in Deutschland insgesamt 54 selbständige Baywa-Marktbetreiber um 4,6 Millionen Euro geprellt worden, so Winkler. Ihren österreichischen Kollegen wurden zwischen 2000 und 2002 auf dieselbe Weise knapp zwei MillionenEuro vorenthalten.

Ordnungswidrigkeit und Bußgeld

Die Staatsanwaltschaft stufte dies als "ganz erheblichen Schaden" für die Betroffenen ein - und wertete diese Praxis rechtlich als Betrug. Sie erhob jedoch keine Anklage, sondern stufte den Fall als Ordnungswidrigkeit ein und erledigte ihn mit einem Bußgeldbescheid. Zumal der nach Ansicht der Staatsanwaltschaft "eigentliche Hauptverantwortliche" in der Baywa-Zentrale inzwischen verstorben ist.

Mildernd wirkte auch, dass die Baywa inzwischen unrechtmäßig einbehaltenes Geld an die Franchise-Nehmer gezahlt hat. Gegen den ehemaligen Vorstandschef Deml wurden die Ermittlungen wegen Geringfügigkeit und gegen die Zahlung von 50.000 Euro an drei gemeinnützige Organisationen eingestellt. Ihm sei eine persönliche Schuld nicht nachzuweisen gewesen, sagte Oberstaatsanwalt Winkler. Deml habe die rechtswidrige Praxis nicht persönlich angeordnet. Allerdings sei er über diese informiert gewesen und habe nicht mit dem notwendigen Nachdruck dafür gesorgt, dass sie beendet wurde.

Der frühere Vorstandschef und die Baywa haben die Entscheidung der Staatsanwaltschaft inzwischen akzeptiert und die insgesamt eine Million Euro bezahlt. Damit ist der Fall aus strafrechtlicher Sicht rechtskräftig abgeschlossen. Ein Baywa-Sprecher sagte, man halte die Begründung der Anklagebehörde zwar "nach wie vor für falsch" - man habe sich jedoch ihrer Entscheidung gebeugt, "weil das Verfahren damit abgeschlossen und endgültig erledigt ist".

Immerhin hatten sich die komplizierten Ermittlungen annähernd fünf Jahre hingezogen. Bereits im Juli 2004 durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft die Münchner Zentrale des Konzerns (mehr als 16.000 Beschäftigte, etwa acht Milliarden Euro Jahresumsatz), der zum politisch-wirtschaftlichen Wurzelgeflecht in Bayern gehört. Im Baywa-Aufsichtsrat sitzt so ziemlich alles, was im landwirtschaftlichen Genossenschaftsbereich Rang, Namen und vor allem Einfluss hat.

Als Vorsitzender fungiert Manfred Nüssel, amtierender Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes und Sohn eines ehemaligen CSU-Landwirtschaftsministers. Auch Stephan Götzl, Chef des bayerischen Genossenschaftsverbandes, gehört dem Aufsichtsrat an.

Die Hoffnung der Baywa-Verantwortlichen, dass der Fall nunmehr zu den Akten gelegt werden kann, dürfte sich allerdings nicht erfüllen. Nach SZ-Informationen hat der Insolvenzverwalter der Raiffeisengenossenschaft BHG Nerchau den Konzern beim Landgericht München auf Zahlung von knapp einer halben Million Euro verklagt. Diese hatte einen jener Bau- und Gartenmärkte betrieben, denen die Sonderboni vorenthalten worden waren.

Der Insolvenzverwalter spricht von einer "systematischen Täuschung" und macht den entsprechenden Einnahmeausfall von angeblich 452.000Euro zuzüglich Zinsen nun zivilrechtlich geltend. Der frühere Vorstandschef der sächsischen Genossenschaft gibt an, dass diese keine Insolvenz hätte anmelden müssen, wenn die Baywa die Sonderrabatte korrekt weitergegeben hätte. Die Baywa hält die Klage für unbegründet.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2009/pfau
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