Süddeutsche Zeitung

Banken und Konjunktur:Angst vor dem Crash

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Deutsche Banken sollen zusätzliche Verlustpuffer bilden. Die Aufsicht möchte die Branche wappnen für den Fall, dass Bauherren und Unternehmer Kredite nicht mehr bedienen können.

Von Cerstin Gammelin und Markus Zydra, Berlin/Frankfurt

Die deutschen Banken müssen erstmals zusätzliche Finanzpolster in Milliardenhöhe anlegen, um sich stärker gegen mögliche Verluste zu wappnen. Diese Empfehlung hat am Montag der Ausschuss für Finanzstabilität mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums, der Deutschen Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin beschlossen. Das Gremium ist seit 2013 für die Überwachung der Finanzmärkte in Deutschland verantwortlich. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies sagte, die Aufforderung zur Erhöhung des Eigenkapitals sei eine Vorsichtsmaßnahme, um einem Crash wie im Zuge der Finanzkrise 2008 vorzubeugen.

Damals hatten Banken über Jahre risikoreiche Kredite zu hohen Konditionen ausgegeben. Nachdem die Blase geplatzt war, stellten sie die Kreditversorgung der Wirtschaft fast komplett ein, sodass der Finanzkrise eine dramatische Wirtschaftskrise folgte. Deutschland rutschte 2009 in eine schlimme Rezession. Als Konsequenz daraus haben die europäischen Länder beschlossen, Ausschüsse für Finanzstabilität einzurichten, um das Finanzsystem zu überwachen.

"Die Banken sollten in guten Zeiten Reservepolster aufbauen, um für schlechte Zeiten vorbereitet zu sein", sagte Bafin-Chef Felix Hufeld, dessen Behörde die Empfehlung zum 1. Juli umsetzen möchte. Konkret sollen die deutschen Banken ihre Kapitalpuffer um 0,25 Prozent anheben. Es gehe insgesamt um rund 5,3 Milliarden Euro. Diesen Betrag müssen die Institute zurücklegen. Sie sollen dafür zwölf Monate Zeit bekommen. Der zusätzliche Puffer soll sicherstellen, dass Banken im Konjunkturabschwung Verluste aus faulen Krediten besser auffangen können. Dadurch werde sichergestellt, dass die Institute auch in schlechteren Zeiten die Wirtschaft mit Kredit versorgen könnten.

Wie sich die Milliarden auf die deutschen Banken im Einzelnen verteilen, wollte Hufeld nicht sagen. Die Finanzaufsicht geht jedoch davon aus, dass die Banken "diese Kapitalerhöhung beherrschen können". Hintergrund der Warnung ist, dass die Kreditvergabe in Deutschland zuletzt deutlich stärker gewachsen ist als das Bruttosozialprodukt. Das bedeutet nach Ansicht der Finanzaufsicht, dass die Risiken für Banken deutlich steigen.

Einerseits könnten Kreditrisiken unterschätzt werden, wenn etwa Unternehmen in Zeiten des Aufschwungs viel Geld investieren, aber bei plötzlichen Auftragseinbrüchen ihre Kredite nicht mehr bedienen können - etwa Automobilzulieferer, die von der Dieselkrise betroffen sind.

Das zweite große Risiko bestehe darin, die Werthaltigkeit der Kreditsicherheiten zu überschätzen, etwa, wenn Immobilien überteuert gekauft und dafür zu hohe Kredite aufgenommen werden, so der Ausschuss. Zudem hätten sich Banken durch die langjährige Kreditlaufzeiten an niedrige Zinsen und damit niedrige Einnahmen gebunden, was teuer werden kann, wenn künftig höhere Zinsen für Einlagen bezahlt werden müssten. Bislang sieht es allerdings noch nicht danach aus, als ob die EZB den Leitzins, der derzeit bei null Prozent liegt, bald erhöhen würde.

Es ist das erste Mal, dass der deutsche Ausschuss für Finanzstabilität eine Warnung an die Finanzaufsicht ausgegeben hat. Die Aufforderung, mehr Kapitalpuffer aufzubauen, ist ein ernst zu nehmendes Alarmsignal, dass im Bankensektor etwas schiefläuft. Offenbar sieht man sich gezwungen, das Kreditwachstum stärker zu bremsen. Bisher lag der Puffer immer bei null; was auch hieß, dass die Risiken beherrschbar schienen.

In Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten sind in den vergangenen Jahren die Immobilienmärkte heißgelaufen. Vor allem in den Metropolen kletterten die Preise jährlich mitunter im zweistelligen Prozentbereich. Schon länger warnen Experten vor einer Blase. Die Bundesbank etwa stellte fest, dass die Immobilienpreise in den deutschen Städten deutlich über dem Niveau lägen, das durch Bevölkerungsentwicklung und wirtschaftliche Faktoren eigentlich gerechtfertigt sei. In den sieben Metropolen Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt, Köln, München und Stuttgart liegen die Preise nach Einschätzung der Bundesbank 15 bis 30 Prozent über dem angemessenen Niveau.

Die strengen Kapitalvorschriften für Banken sind nun auch Ausfluss dieser Entwicklung - offenbar nicht nur in Deutschland. Auch die nationalen Ausschüsse für Finanzstabilität in zwölf weiteren europäischen Staaten haben ihre Banken zu entsprechenden Vorsorgemaßnahmen aufgefordert, die hierzulande tätigen Auslandsbanken müssen dazu rund 2,3 Milliarden Euro aufbringen. Die Vorsicht der Aufseher scheint nachvollziehbar zu sein: In der Geschichte waren es häufig überhitzte Immobilienmärkte, die eine schlimme Finanzkrise auslösten.

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SZ vom 28.05.2019
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