Süddeutsche Zeitung

Banken:Wieder könnte es am Ende an den Steuerzahlern hängenbleiben

Lesezeit: 2 min

Nach der vergangenen Finanzkrise lautete das große Versprechen an die Bürger, künftig nicht mehr für Pleitebanken haften zu müssen. Doch dieses Versprechen droht nun ausgehebelt zu werden.

Kommentar von Markus Zydra

Man sollte in diesen Tagen der grenzenlosen Rettungspakete noch einmal an Lehman Brothers denken, jene US-Bank, deren Pleite die Welt im Jahr 2008 in die große Finanzkrise stürzte. Im Nachgang der Katastrophe versprachen sich damals die EU-Staaten in die Hand, dass so etwas nie mehr geschehen dürfe. Weder eine unkontrollierte Bankenpleite noch der Rückgriff auf den Steuerzahler, um marode Geldhäuser zu retten. In Zukunft, so der Plan, sollten Finanzinstitute, denen die Puste ausgeht, rechtzeitig vom Markt verschwinden. In Brüssel wurde deshalb im Rahmen der Bankenunion eigens die Single Resolution Board 2015 ins Leben gerufen, eine Behörde, die im Notfall die Abwicklung einer Bank orchestrieren kann.

In den vergangenen Jahren haben die Experten detaillierte Abwicklungspläne erstellt, sogar Feldbetten gibt es in den Büros, damit im Ernstfall 24 Stunden im Schichtdienst gearbeitet werden kann. Das Prinzip: Die gesunden Banken Europas würden gefeit sein für die nächste Krise, und die schwachen Geldhäuser sollten geordnet pleitegehen - die Haftung würden richtigerweise die Eigentümer und Gläubiger übernehmen.

Nun aber könnte alles anders kommen. Die EU möchte ihren Mitgliedstaaten durch eine sehr flexible Handhabung der geltenden Regeln erlauben, Banken, die infolge der Corona-Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten, mit nationalen Steuergeldern zu retten. Das große Versprechen an die Bürger, künftig nicht mehr haften zu müssen, droht ausgehebelt zu werden.

Es stimmt schon, die Lage ist ernst: Der wirtschaftliche Shutdown zur Bekämpfung der Pandemie wird zu einer schweren Rezession führen. In der Folge könnten auch viele Kredite ausfallen, sprich die Banken bleiben auf den Kosten sitzen. Aber man weiß noch gar nicht, wie groß der Schaden sein wird. Immerhin pumpen die Staaten Milliarden Euro als Garantien und Hilfen in die Realwirtschaft, um Pleiten und Zahlungsausfälle weitestgehend zu verhindern. Und haben Europas Banken nicht für genau einen solchen Krisenfall Kapitalreserven angehäuft? Immer wieder versicherten die Aufsichtsbehörden, der Sektor sei gewappnet für die nächste Krise. Die Kontrolleure verwiesen stets auf die beruhigenden Ergebnisse von sogenannten Stresstests. War das alles wenig wert?

Fast gewinnt man diesen Eindruck, denn über Nacht haben die Verantwortlichen vieles über Bord geworfen, wofür sie jahrelang hart gegen die Banken-Lobby gekämpft hatten. Praktisch mit Tag eins der Corona-Krise räumten Bankenaufseher der Finanzindustrie Erleichterungen ein: Kapitalpuffer durften aufgelöst werden, gleichzeitig ist die Umsetzung strengerer Bilanzierungsvorschriften aufgeschoben. Darüber hinaus machte die EZB den Vorschlag, eine Bad Bank zu gründen. Dort sollen faule Kredite des europäischen Bankensektors gebündelt werden, um die Institute von diesen Belastungen befreien.

Jahrelang hatten die beaufsichtigten Banken Zeit, diese Lasten abzubauen - nun erwägt die Notenbank sogar, Ramschanleihen als Refinanzierungspfand zu akzeptieren. Dieser Aktionismus erweckt den Eindruck, als ob eine schlimme Bankenkrise unmittelbar bevorstünde. Dabei dürften viele Institute bislang kaum etwas spüren von der Krise. Im Gegenteil: Sie vergeben Firmenkredite, die in großen Teilen vom Staat garantiert oder von der Notenbank subventioniert werden.

Es mag so sein, dass Europas Banken aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie in eine schlimme Krise schlittern. Es kann auch gute Gründe geben, dass der Staat bedürftige Banken im äußersten Notfall mit Kapital ausstattet. Aber dann müsste man sich eingestehen, dass Politiker und Aufsicht in den vergangenen Jahren nur Schönwettereinschätzungen abgegeben haben.

Noch einmal: Eigentlich sollten große Teile des Bankensektors genug Puffer haben, um die Corona-Krise zu bewältigen. Das war zumindest der Anspruch an die neuen Regeln nach Lehman. Nun besteht die Gefahr, dass erneut die Steuerzahler für das Versagen bezahlen müssen.

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SZ vom 23.04.2020
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