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Banken:Island-Krimi mit deutscher Hauptrolle

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Die nordische Insel steckt tief im Finanzsumpf. Ein Report enthüllt nun: Am Anfang stand ein fragwürdiger Deal der deutschen Privatbank Hauck & Aufhäuser.

Von Harald Freiberger, München

Das Deutschland-Bild vieler Isländer hat sich in den vergangenen Tagen stark eingetrübt. Deutschland - das war für die gut 300 000 Menschen in dem kleinen Inselstaat in Nordeuropa immer das Land des wirtschaftlichen Erfolges und der Seriosität. Seit ein Untersuchungsausschuss des isländischen Parlaments aber am vergangenen Mittwoch seinen Bericht veröffentlichte, ist es mit diesem Image vorbei. Seitdem fragen sich die Isländer, wie eine vermeintlich noble und angesehene deutsche Privatbank sich zu solchen Machenschaften hinreißen lassen kann.

Die Privatbank Hauck & Aufhäuser soll tief in den isländischen Finanzsumpf verstrickt sein. Und eine zentrale Rolle spiele dabei ein deutscher Politiker: der frühere bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil, 60 (FDP).

Der Ausschuss untersuchte die Rolle von Hauck & Aufhäuser im Jahr 2003 bei der Privatisierung der isländischen Banken. Der Bericht kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Privatbank soll der isländischen Regierung damals vorgetäuscht haben, einen Anteil an der Bunadarbanki (Landwirtschaftsbank) zu übernehmen. In Wahrheit habe sie nur als Strohmann für dubiose isländische Unternehmer fungiert, die aus dem Geschäft Profit schlagen wollten. Der Bericht beschreibt, wie Hauck & Aufhäuser eine "Potemkinsche Struktur" und eine "Fassade" aufbaute und aufrechterhielt.

Die Vorgeschichte: Anfang des neuen Jahrtausends entschied Islands Regierung, den bis dahin ausschließlich staatlichen Bankensektor zu privatisieren. Das sollte mehr Dynamik in die Wirtschaft bringen. Die Regierung wollte aber eine zu starke Verflechtung vermeiden. Deshalb machte sie einheimischen Investoren zur Auflage, dass sie eine ausländische Bank mit im Boot haben müssen.

Für die Landwirtschaftsbank interessierte sich der Schiffsunternehmer Olafur Olafsson, der auch eine kleine Investment-Bank namens Kaupthing hatte. Diese sollte in der Finanzkrise 2008 traurige Berühmtheit erlangen: Sie ging nach einem gewaltigen Expansionskurs Pleite und riss die Wirtschaft des gesamten Landes mit nach unten. Olafsson wurde 2013 mit anderen Verantwortlichen von Kaupthing wegen Marktmanipulation zu einer jahrelangen Gefängnisstrafe verurteilt.

Den Grundstein für das Wachstum von Kaupthing legte Olafsson mit der Übernahme der Landwirtschaftsbank. Über sie erhielt er eine Lizenz als Geschäftsbank. Aber er brauchte dafür Hilfe aus dem Ausland. Zunächst präsentierte er die französische Großbank Société Générale als Mit-Investor, doch der Deal zerschlug sich. Kurz darauf trat Hauck & Aufhäuser auf den Plan. Im Januar 2003 wurde das Geschäft besiegelt, kurz darauf genehmigten es isländische Bankenbehörden und die Regierung. Wenige Monate später fusionierte Kaupthing mit der Landwirtschaftsbank.

Der Staat verkaufte 46 Prozent der Anteile der Landwirtschaftsbank. Hauck & Aufhäuser übernahm 16 Prozent. So sah es aber nur nach außen aus. "Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass Hauck & Aufhäuser nie ein wirklicher Investor war, wie es die Käufer damals mitteilten", sagt Kjartan Bjarni Björgvinsson, der Chef des Untersuchungsausschusses. Die Behörden in Island seien darüber "systematisch getäuscht" worden.

Laut dem Bericht gab es geheime Vereinbarungen zwischen Hauck & Aufhäuser und Kaupthing, wobei die Fäden bei Olafsson zusammenliefen. Demnach fungierte die deutsche Privatbank nicht als Investor, sondern nur als Treuhänder, zudem war festgeschrieben, dass ihr aus der Übernahme kein Risiko entsteht. Eigentlicher Eigentümer war eine Offshore-Gesellschaft auf den Virgin Islands, hinter der Olafsson steckte.

Auch den Kaufpreis von 35 Millionen Dollar zahlte Hauck & Aufhäuser nicht selbst; die Bank bekam ihn vorher von Kaupthing geliehen. Im Kaufvertrag verpflichtete sich Hauck & Aufhäuser, die Anteile mindestens 21 Monate zu halten. 2004 und 2005 verkaufte die Bank ihre Anteile. Sie wurden an die isländische Börse gebracht, wo ihr Marktwert binnen kurzer Zeit auf rund 100 Millionen Dollar stieg. Das Geld floss an die Offshore-Gesellschaft, und diese verteilte es Anfang 2006 wiederum auf zwei andere Konten: 57,5 Millionen Dollar auf eine andere Offshore-Gesellschaft, die bei der Panama-Skandalfirma Mossak Fonseca gegründet wurde, und deren Eigentümer Olaffson war. 46,5 Millionen Dollar flossen auf ein Schweizer Nummernkonto, dessen Eigentümer der Untersuchungsausschuss nicht ausfindig machen konnte.

Was hatte Hauck & Aufhäuser selbst von seiner Strohmann-Rolle? "Laut unserem Report erhielt die Bank von der Offshore-Gesellschaft eine Provision von 750 000 Dollar für ihre Rolle in dem Deal", sagt Kommissions-Chef Björgvinsson. Der Bericht umfasst fast 200 Seiten. Immer wieder taucht darin der Name von Martin Zeil auf, der damals Hausjurist von Hauck & Aufhäuser war. 2008 wurde der FDP-Mann dann in Bayern Wirtschaftsminister im Kabinett Seehofer. 2013 schied er aus, weil die FDP die Fünf-Prozent-Hürde verfehlte. Seit 2015 arbeitet er in einer Münchner Anwaltskanzlei.

Zeil korrespondierte per E-Mail mit Vertrauten von Olafsson bei Kaupthing. Die Mails, aus denen der Bericht zitiert, belegen laut der Kommission eindeutig, dass ihm bewusst war, was er tat. In einer Mail fragt er: "Wird oder kann Hauck & Aufhäuser vom isländischen Gesetz gezwungen werden zu erklären, ob es im eigenen Auftrag handelt oder als Treuhänder oder als Agent einer dritten Partei?"

Die Aufbewahrungsfrist ist vorbei. Unterlagen sind laut Bank "nur noch rudimentär verhanden"

Unterzeichnet wurde der Kaufvertrag von Peter Gatti, damals Partner von Hauck & Aufhäuser. Er reiste dafür auch nach Island. Laut Zeugenaussagen, die im Report zitiert sind, wusste Gatti nicht viel von der Landwirtschaftsbank. "Er hätte genauso gut einen Eissalon kaufen können", sagt ein Ex-Manager der Landwirtschaftsbank aus. Deshalb kam in Island schnell der Verdacht auf, Hauck & Aufhäuser sei nicht der eigentliche Eigentümer. Vertreter der Bank stritten dies aber wiederholt ab.

Dem Untersuchungsausschuss gab Zeil unter Verweis auf das deutsche Bankgeheimnis keine Auskunft. Der SZ sagte er, er könne und dürfe zu einzelnen Geschäften seines früheren Arbeitgebers aufgrund bis heute rechtlich bindender Vertraulichkeitspflichten keine Auskünfte geben. "Als Leiter der Rechtsabteilung lag es nicht in meiner Kompetenz, eigenverantwortlich Geschäfte für die Bank zu verhandeln oder abzuschließen", sagt er. Er habe die Geschäfte, "welche die dafür verantwortlichen Personen verhandelt und beschlossen haben", ausschließlich rechtlich abgesichert.

Die Bank Hauck & Aufhäuser, die 2016 vom chinesischen Finanzinvestor Fosun übernommen wurde, teilte mit, ihr seien Auskünfte zu Transaktionen und Kundenbeziehungen aufgrund geltender Gesetze untersagt. Zudem seien die unmittelbar handelnden Personen seit Jahren nicht mehr im Hause tätig. Da die Aufbewahrungsfrist abgelaufen sei, seien Unterlagen zu der Transaktion nur noch rudimentär vorhanden. Ein Rechtsgutachten einer isländischen Kanzlei von damals bestätige jedoch, dass die Transaktion "im Einklang mit dem geltenden isländischen Recht und Gesetz durchgeführt wurde".

Die Bank weist zudem darauf hin, dass der isländische Staat wenige Monate nach den Einstieg von Hauck & Aufhäuser den Zusammenschluss von Landwirtschaftsbank und Kaupthing genehmigt habe. "Die Argumentation, dass der mittelbare Anteil von Hauck & Aufhäuser an der Landwirtschaftsbank von lediglich 16 Prozent die isländische Bankenverflechtung maßgeblich gefördert haben soll, verwundert uns sehr", sagte eine Sprecherin.

Die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts schlug in der vergangenen Woche in Island in der Öffentlichkeit hohe Wellen. Tagelang war es das Hauptthema in den Medien. "Die Menschen fragen sich, warum Hauck & Aufhäuser sich auf einen solchen Deal einließ", sagt Ausschuss-Chef Björgvinsson. Der Bericht gebe keinen Aufschluss darüber, ob das Verhalten der Bank gesetzeswidrig war; ohnehin wären strafrechtliche Ansprüche bereits verjährt. In jedem Fall sei das Verhalten der Bank aber moralisch zu beanstanden.

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SZ vom 06.04.2017
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