Süddeutsche Zeitung

Geldversorgung:Erstmals macht eine Bank alle Filialen dicht

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Die Raiffeisenbank Hochtaunus verabschiedet sich von der Versorgung mit Bargeld und schließt vier Standorte. Ist das erst der Anfang?

Von Harald Freiberger

Es kommt einer Revolution in der deutschen Bankenlandschaft gleich: Die Raiffeisenbank Hochtaunus schließt alle ihre Filialen und versorgt ihre Kunden auch nicht mehr mit Bargeld. Sie ist damit die erste Volks- und Raiffeisenbank in Deutschland, die einen solch radikalen Schritt geht. Die Zahl der Bankfilialen sinkt bundesweit seit Jahren drastisch, weil immer mehr Kunden ihre Geschäfte online erledigen. Dass sich eine Bank aber komplett aus der Fläche zurückzieht, hat es bisher nicht gegeben.

Vom 1. Dezember an schließt die Raiffeisenbank Hochtaunus ihre vier Filialen. Nur noch die Zentrale in Bad Homburg bleibt bestehen. Als erstes berichtete darüber der Banken-Newsletter Finanz-Szene. Demnach schafft das Geldhaus auch den Bargeldverkehr faktisch ab. In einem Schreiben an die Kunden heißt es: "Ein- und Auszahlungen in der Filiale (Schalter sowie Geldautomat) sind in Zukunft nicht mehr möglich."

Achim Brunner, der Vorstand der Bank, begründete den Schritt gegenüber Finanz-Szene so: "Im Schnitt haben wir pro Stunde über die bestehenden vier Filialen zwei Besucher, die Zahl der Bargeld-Transaktionen lag zuletzt bei rund zehn pro Tag." Es sagt damit indirekt, dass es sich für sein Institut wegen der mangelnden Zahl von Kundenbesuchen nicht mehr lohne, eine Infrastruktur für Gelddienstleistungen in der Fläche aufrechtzuerhalten. Brunner ist überzeugt, dass seine Bank nicht die einzige ist, die dieses Problem hat. "Wir vollziehen einen Schritt, vor dem viele andere, vor allem kleinere Genossenschaftsbanken auch stehen", sagte er dem Finanzportal biallo.de.

Auch aus dem traditionellen Firmenkundengeschäft will sich die Raiffeisenbank Hochtaunus weitgehend verabschieden. Die Zentrale in Bad Homburg bietet zwar noch Beratung vor Ort an, diese soll aber auf das Nötigste beschränkt werden. Das Institut will sich künftig vor allem auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien konzentrieren, und zwar bundesweit. Schon in den vergangenen Jahren weitete es diesen Geschäftsbereich stark aus.

Privatkunden, die normale Geldgeschäfte erledigen wollen, sind in der verbleibenden Zentrale dagegen nicht mehr erwünscht. Auch das kostenpflichtige "Full-Service-Konto" für Filialkunden wird abgeschafft. Privatkunden können Überweisungen und andere Geldgeschäfte nur noch über ein Online-Konto erledigen. Geldautomaten gibt es in der Bank nicht mehr, auch am Schalter lässt sich kein Geld mehr abheben. Eigene Kunden können mit einer Mastercard Debit bei fremden Banken Geld ziehen - 52-mal im Jahr kostenlos.

Die Raiffeisenbank Hochtaunus verabschiedet sich damit vom traditionellen Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken, der Versorgung der Bevölkerung in der Fläche mit Bargeld und Finanzdienstleistungen. Der Schritt dürfte im Genossenschaftssektor für Aufsehen sorgen, zumal er auch gegen das Regionalprinzip verstößt. Danach sollen Volks- und Raiffeisenbanken Geldgeschäfte nur für Menschen in ihrem Geschäftsgebiet anbieten.

Und was sollen Kunden tun, die partout kein Onlinebanking machen wollen oder können?, fragte biallo.de Bankchef Brunner. "Wir wollen so fair sein und sagen, dass wir für viele Kunden ein tolles Angebot haben und damit die richtige Bank sind, aber zu dieser Wahrheit gehört auch, dass zu manchen Kunden andere Banken besser passen", antwortete er. Zudem gebe es die Möglichkeit, "dass sich diese Kunden von ihren Kindern helfen lassen".

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