Süddeutsche Zeitung

Banken:Damit die Kredite fließen

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Politik und Notenbanken wollen sicherstellen, dass die Banken weiter funktionieren. Andernfalls käme alles zum Erliegen.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Die Enttäuschung am Kapitalmarkt war deutlich, aber in den Frankfurter Bankentürmen und in den Chefbüros von Sparkassen dürfte sich Erleichterung breit gemacht haben. Mit ihren Beschlüssen vom Donnerstag hat die Europäische Zentralbank frühzeitig Druck von den Banken genommen, indem sie eine indirekte Subvention des Bankensektors auf den Weg brachte. Die Notenbank hat sich zu einer präventiven Hilfe entschieden, um die schlimmsten Auswirkungen der Coronakrise auf die Bankbilanzen bereits abzumildern, bevor sie überhaupt auftreten. Und um die wichtigste Funktion der Banken zu schützen: die Versorgung der Realwirtschaft mit Krediten.

Am Freitag zog die Bundesregierung nach und stellte betroffenen Unternehmen "unbegrenzt" Kredite zur Verfügung.

"Es wird nicht gekleckert, es wird geklotzt", sagte Finanzminister Olaf Scholz am Freitag. Es geht nun darum, sicherzustellen, dass die Banken die Unternehmen weiter mit Kredit versorgen. Denn: Wenn die Banken nicht mehr funktionieren, dann funktioniert im Grund gar nichts mehr. Es droht in diesem Fall ein kompletter volkswirtschaftlicher Stillstand. Fast flächendeckend waren die Börsenkurse gefallen, zuerst am Montag, noch deutlicher am Donnerstag. Banken und Finanzkonzerne traf es überproportional, die Aktie der Deutschen Bank fiel erstmals unter fünf Euro. Auch die der Commerzbank gab massiv nach. Der europäische Bankaktienindex Stoxx 600 Banks hat seit seinem diesjährigen Höchststand im Februar 41 Prozent verloren.

Besonders betroffen sind Italiens Banken. Das kommt nicht von ungefähr, aber anders als in der Finanzkrise geht es nicht um allmählich schwindendes Vertrauen in die Stabilität der Institute. Auch geht die Krise diesmal nicht von Missständen in der Bankenbranche selbst aus. Die Coronakrise trifft dennoch plötzlich und unerwartet den wunden Punkt der Geldhäuser Europas: ihre mangelnde Profitabilität. Während sie ihre Kapitalbasis gestärkt haben und dank einer Vielzahl neuer Regeln robuster sind als zur Zeit der Krise, bekamen allen voran die großen deutschen Institute ihre Kosten und Erträge nicht in den Griff, trotz rekordniedriger Kreditausfälle und gut laufender Konjunktur - was auch daran lag, dass einige ihren Mitarbeitern weiter vergleichsweise hohe Boni zahlen. Eine Rezession aber vernichtet sofort jede Kalkulation - und der Aktienmarkt bestraft das unmittelbar.

Der Finanzchef der Deutschen Bank bleibt optimistisch: "Ich sehe bislang keinen Grund dafür, unser Ziel für 2020 zu relativieren."

Wie schlimm steht es um Europas Finanzsektor? Die EZB beantwortet diese Frage mit einer Notfallmaßnahme. Geldinstitute in der Eurozone können sich fortan langfristige Kredite zu negativen Zinsen von minus 0,75 Prozent bei der Zentralbank besorgen, müssen dieses Geld aber anders als zuvor nicht weitergeben - sie können es einfach wieder bei der EZB parken. Dafür müssen sie zwar Strafzinsen von minus 0,5 Prozent zahlen, aber es bleibt trotzdem Ertrag. Das sei ein "massives Paket für die Banken", sagt Frederik Ducrozet, Volkswirt der Privatbank Pictet.

Die Aufseher lockern nun auch die Kapitalanforderungen für die Institute. Zu normalen Zeiten müssen Banken sofort mehr Eigenkapital zurücklegen, wenn sich die Bonitätsnoten der Kreditnehmer verschlechtern, was spätestens zum Bilanzstichtag am 31. März der Fall gewesen wäre. Schließlich stehen ganze Industriezweige wie die Luftfahrt, der Tourismus, die Auto- oder die Öl- und Gasbranche vor höchst ungewissen Monaten. Auch wenn ein Kreditnehmer mit Zahlungen im Rückstand ist, müssen die Banken den Kredit sofort abschreiben. Dies alles können die Geldhäuser nun vermutlich vorübergehend lockerer handhaben, was ihnen eine gewisse Atempause verschafft.

Allerdings: Banken werden auch Wertpapierbestände abschreiben müssen, und die Kunden werden sich zurückhalten, nun Fonds und Ähnliches zu kaufen. Deutsche-Bank-Finanzchef James von Moltke verstieg sich dennoch zu der Aussage, die Bank werde 2020 wie geplant Gewinn machen. "Wenn sich die Wirtschaft nach einem scharfen Einbruch schnell wieder erholt, sehe ich bislang keinen Grund dafür, unser Ziel für 2020 zu relativieren", sagte Moltke dem Handelsblatt.

Um ihre Spareinlagen müssen sich Bankkunden derweil keine Sorgen machen, auch wenn einige Banken und Sparkassen aus Vorsichtsgründen einen Teil ihrer Filialen schließen. Wegen der sich häufenden Corona-Fälle im Saarland kündigt die Sparkasse Saarbrücken an, insgesamt 25 ihrer 55 Zweigstellen dichtzumachen. Die Commerzbank schließt vier Filialen wegen ihrer Nähe zum Elsass. Die Institute verfügen indes nicht nur über hohe Liquiditätsrücklagen, sie können auch unbegrenzt auf die Zentralbank zurückgreifen, sollten nun Kunden mehr Bargeld abheben. Wenn dennoch eine Bank in Schieflage gerät, sind die Sparer in Deutschland über die gesetzlich vorgeschriebene Einlagensicherung geschützt. Diese sichert bis zu 100 000 Euro ab. Die meisten Banken versprechen zudem freiwillig Schutz in fast unbegrenzter Höhe. Im Pleitefall haben Kunden bis 100 000 Euro Rechtsanspruch auf Rückzahlung.

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SZ vom 14.03.2020
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