Süddeutsche Zeitung

Automobilindustrie:410 000 Arbeitsplätze in Gefahr

Lesezeit: 2 Min.

Regierungsberater befürchten massive Jobverluste durch Elektromobilität.

Von Max Hägler, München

Die Zahl der Beschäftigten in der Automobilindustrie wird weiter sinken, zumindest in der Zehnjahresvorschau: 410 000 Jobs könnten durch die Elektromobilität wegfallen, das hat die Nationale Plattform Mobilität (NPM) nun ausgerechnet, das ist ein großes Beratergremium der Bundesregierung. Trifft die Prognose zu, würde knapp die Hälfte der derzeit Beschäftigten in der Industrie wegfallen, viel mehr als bislang befürchtet. Auch andere Studien rechnen mit weniger Arbeitsplätzen in der Zukunft. Das aktualisierte Szenario geht von einer beschleunigten Elektrifizierung bis zum Jahr 2030 aus, das bedeutet, in dem es in Deutschland im Jahr 2030 zehn Millionen reine Batterieautos geben wird. Der Bericht der Arbeitsgruppe um IG-Metall-Chef Jörg Hofmann kommentiert diese Entwicklung deutlich: "Wenn sich die Wettbewerbslage der deutschen Industrie im Bereich Elektromobilität in den kommenden Jahren nicht verbessert und der Importbedarf für Batteriezellen und Elektrofahrzeuge mit dem Markthochlauf der Elektrofahrzeuge in Deutschland weiter steigt, sind die Auswirkungen auf die Beschäftigungsstrukturen erheblich." Der wesentliche Punkt dabei: Beim Motor und Getriebe entfallen in der E-Variante 90 Prozent der nötigen Teile. Hinzu käme die steigende Produktivität in den Fabriken, die "zu einem starken gesamtwirtschaftlichen Arbeitsplatzverlust" beitragen würden. Selbst wenn dieses Extremszenario nicht eintreffen sollte, und vor allem Batterien im Inland gebaut würden, gelte künftig: "In keinem Fall werden die Automobilhersteller weiterhin im selben Maße für eine solche Wertschöpfung und Beschäftigung entlang der Zulieferketten sorgen können, wie es heute der Fall ist."

Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) ist nicht ganz so pessimistisch, geht mittlerweile von einem Minus von 80 000 Jobs aus. Aber eine Debatte um die Größe der Zahlen sei nicht hilfreich, heißt es bei dem Verband: Entscheidend sei, das die Beschäftigung in allen Szenarien nach unten gehe. Und einig sind sich alle, dass ein Lösungsansatz zum Abfedern des Strukturwandels darin liege, die Betroffenen weiterzubilden. Nach Sicht des Branchenverbandes wie auch der Regierungsberater sollte diese jedoch nicht den einzelnen Betrieben aufgebürdet werden. Es brauche ein zentrales Weiterbildungskonzept für den gesamten Mobilitätssektor, schreibt die NPM in ihrer Analyse. Ein solches Konzept könnte dann durch "regionale Kompetenz-Hubs" umgesetzt werden, in denen die Bundesagentur für Arbeit, regionale Weiterbildungsträger und Betriebe mit Qualifizierungsbedarf zusammenarbeiteten.

Am Mittwoch könnten im Bundeskanzleramt entsprechende Beschlüsse gefasst werden. Angela Merkel trifft sich mit Gewerkschaftsvertretern, am Nachmittag kommen am selben Ort Personalvorstände und Betriebsräte aus der Autoindustrie mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und mehreren Ministern zusammen, um über die Auswirkungen der Mobilitätswende auf die Beschäftigung zu beraten: Das NPM-Papier wird dabei Arbeitsgrundlage sein. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat bereits signalisiert, die Gespräche mit der Branche zu intensivieren. "Ich werde einen 'Transformationsdialog Automobilindustrie' mit Automobilherstellern und -zulieferern einrichten, um rechtzeitig dafür zu sorgen, dass neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen", sagte er. Dabei setze er auf Elektromobilität, aber auch auf Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe.

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Quelle:
SZ vom 14.01.2020
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